In der Netzhaut der meisten Säugetiere gibt es zwei Lichtsinneszelltypen: die so genannten Zapfen für das Tageslicht- und Farbensehen, sowie die empfindlicheren Stäbchen für das Nachtsehen. Für die nachtaktiven Fledermäuse galt bisher, dass sie nur Stäbchen besitzen. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass die Netzhaut der ebenfalls nachtaktiven Flughunde auch Zapfen enthält. Damit sind die „Vettern“ der Fledermäuse ebenfalls für ein Sehen bei Tageslicht ausgestattet.
Die Forscher vermuten nun, dass ihnen das bei der frühzeitigen Erkennung von Raubvögeln und bei sozialen Interaktionen in der Kolonie hilft. Denn die Tiere haben ihre Ruhequartiere tagsüber oft in offenen Baumkronen, wo sie große Kolonien bilden, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Brain, Behavior and Evolution.
Die Säugetierordnung Fledertiere besteht aus zwei Unterordnungen, den Fledermäusen und den Flughunden. Im Gegensatz zu Fledermäusen besitzen Flughunde kein Echoortungssystem, dafür haben sie große Augen und gut ausgeprägte Sehzentren im Gehirn. Ein guter Sehsinn ist auch notwendig, denn die Früchte und Nektar fressenden Tiere gehen nachts auf Nahrungssuche und orientieren sich dabei sowohl visuell als auch geruchlich. Während der Hin- und Rückflüge in der Abend- und Morgendämmerung navigieren sie ausschließlich visuell. In mondlosen Nächten können Flughunde daher nicht ausfliegen und müssen hungern.
Visuelle Navigation in der Dämmerung und vereinzelt auch bei Tag – das passt eigentlich nicht zu der in einigen klassischen Arbeiten vertretenen Ansicht, dass Flughunde nur Nachtsicht-taugliche Stäbchen besitzen. Und genau deshalb machten sich Brigitte Müller und Leo Peichl vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt/Main und ihr Kollege Steven Goodman vom Field Museum for Natural History in Chicago mit modernen histologischen Methoden daran, die Photorezeptor-Ausstattung der Flughunde zu untersuchen.