Ökologie

Nächtliches Licht erleichtert Watvögeln die Futtersuche

Rotschenkel profitieren von nächtlicher Beleuchtung ihres Lebensraums

Ein Forscher hält einen mit Sender ausgerüsteten Rotschenkel in der Hand. © Copyright Ross Dwyer

Das nächtliche Licht menschlicher Siedlungen und Industriekomplexe verändert das Futterverhalten von Vögeln – manchmal zu deren Vorteil. Der an der Mündung des Forth in Schottland lebende Rotschenkel findet in den von Industriekomplexen hell erleuchteten Wattbereichen seine Nahrung schneller. Die Vögel haben daher ihre Futtersuche immer mehr in die Nacht verlagert. Das hat ein britisch-australisches Forscherteam herausgefunden, als es einige der Vögel mit Sensoren ausrüstete. Normalerweise sei die nächtliche Futtersuche für die Rotschenkel nur wenig ertragreich, da sie ihre Beute – kleine Krebse, Muscheln und Würmer – nur dann finden, wenn sie diese zufällig mit dem Schnabel berühren. Das Licht aber ermögliche es den Vögeln, auf Sicht zu suchen und damit eine effektivere Nahrungsstrategie einzusetzen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Journal of Animal Ecology“.

„Die meisten Studien zu den Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Tierwelt haben bisher eher negative Effekte dokumentiert“, schreiben Ross Dwyer von der University of Exeter in Penryn und seine Kollegen. So bringe das zusätzliche Licht entlang der Meeresküsten beispielsweise nachts schlüpfende Schildkröten dazu, Richtung Land statt in Richtung des sicheren Meeres zu kriechen. Seevögel kollidierten zudem häufig mit Leuchttürmen und anderen erleuchteten Strukturen. An den Rotschenkeln zeige sich aber, dass es auch Tierarten gebe, die von dem zusätzlichen Licht profitieren. Ihnen verhelfe es dazu, mehr Nahrung zu finden.

Jagd auf Sicht oder durch blindes Stochern

Die zu den Schnepfen gehörenden Rotschenkel sind an fast allen Küsten Europas häufig. Tagsüber laufen die bräunlich gefärbten Vögel meist am Strand im flachen Wasser herum und suchen nach kleinen Krebsen, Muscheln und anderer Nahrung. „Bei gutem Licht erfolgt die Beutesuche meist auf Sicht“, erklären die Forscher. In dunklen Nächten dagegen sei der Vogel auf seinen Tastsinn angewiesen und stochere eher blind im Watt herum. Dies sei deutlich weniger effektiv, daher suchten die meisten Rotschenkel eher tagsüber nach Nahrung als nachts.

Für ihre Studie hatten die Forscher im Mündungsgebiet des Forth 20 junge Rotschenkel eingefangen und mit Sendern ausgestattet, die Position und Körperhaltung des Vogels übermittelten. „Die Helligkeit am jeweiligen Standort der Vögel haben wir nicht, wie sonst üblich, mit in der Hand gehaltenen Beleuchtungsmessern ermittelt“, berichten Dwyer und seine Kollegen. Denn dies hätte die Vögel gestört und wäre zudem wegen der oft unzugänglichen Wattgebiete schwer möglich gewesen. Stattdessen nutzten sie hochauflösende Satellitendaten des Air Force Defence Meteorological Satellite Program (DMSP), um eine Karte der nächtlichen Helligkeit des Forth-Gebiets zu erstellen. „Unseres Wissens nach ist das das erste Mal, dass diese Daten für eine Tierstudie eingesetzt wurden“, sagen die Forscher.

Kunstlicht beschert Vögeln ständigen Vollmond

Die Forscher verfolgten vom Land aus das Verhalten der Rotschenkel. Hier ein Forscher mit Empfänger. Im Hintergrund ist die Grangemouth Raffinerie zu sehen. © Copyright Hamish Campbell

Die Auswertung der Senderdaten ergab deutliche Unterschiede zwischen den Rotschenkeln in dunkleren und in beleuchteten Wattbereichen. „Es schien, als wenn das 24 Stunden brennende Licht der Grangemouth Ölraffinerie für eine Art ständigen Vollmond in der Gezeitenzone sorgte“, erklärt Dwyer. Die Vögel in den beleuchteten Wattgebieten suchten häufiger nachts nach Nahrung und verhielten sich ähnlich wie in besonders hellen Vollmondnächten. Ihre Artgenossen in den dunkleren Wattbereichen machten sich dagegen, wie normalerweise üblich, vorwiegend tagsüber auf Futtersuche und wanderten nachts nur sporadisch über das Watt.

Die Anpassung an das Licht könnte den Rotschenkeln gleich einen doppelten Vorteil bringen, wie die Forscher erklären: Zum einen fänden sie mehr Futter, zum anderen aber schütze sie die Verlagerung der Futtersuche in die Nacht vor den tagsüber aktiven Fressfeinden. Denn tagaktive Greifvögel seien nachts nicht unterwegs, nachtaktive Jäger wie Eulen und Füchse mieden die hell erleuchteten Bereiche meist(doi:10.1111/1365-2656.12012).

(Journal of Animal Ecology, 29.11.2012 – NPO)

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