Die Afrikanische Mähnenratte hat eine besonders raffinierte Abwehrstrategie gegen Hunde, Schakale und andere Fressfeinde entwickelt: Sie kaut die Rinde einer hochgiftigen Pflanze und speichert ihren toxischen Speichel dann in den Haaren ihres auffallenden Rückenkamms. Das haben britische Forscher jetzt erstmals aufgedeckt. Beißt ein Hund das etwa kaninchengroße Tier in den Rücken, kann er daran sterben. Das in Zentralafrika als Pfeilgift verwendete Stropanthin aus der Acokanthera-Pflanze ist stark genug, um einen Menschen in 15 bis 20 Minuten zu töten.
Die Mähnenratte Lophiomys imhausi sei damit das erste bekannte Säugetier, das sich ein so tödliches Gift aus zweiter Hand verschafft, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“. Schon eine bloße Berührung mit dem auffallend schwarz-weiß gemusterten Haarfeld reiche aus, um das herzschädigende Gift wirken zu lassen. Wie dieses die Haut durchdringt, ist noch unklar. Möglicherweise enthält der Speichel eine Substanz, die die Passage erleichtert, mutmaßen die Wissenschaftler um Fritz Vollrath von der University of Oxford. Ebenso unbeantwortet ist die Frage, warum die Mähnenratte selbst gegen das tödliche Gift immun ist.
„Die Details dieser außergewöhnlichen Beziehung zwischen Säugetier und Pflanze erfordern noch weitere Forschungen. Unsere Beobachtungen demonstrieren jedoch beispielhaft die evolutionäre Macht der Räuber, bei ihren Beutetieren sehr ungewöhnliche Verteidigungsstrategien hervorzubringen“, sagen die Forscher.
Gifthaare unter grauem Fell verborgen
Normalerweise ist die Afrikanische Mähnenratte eher unscheinbar, ein langes graues Fell bedeckt ihren gesamten Körper. Wird sie jedoch angegriffen, teilen spezielle Muskeln entlang ihres Rückens ihr Haarkleid und enthüllen ein schwarzweißes Muster aus zuvor verborgenen, kürzeren Haaren. Diese Haare enthalten das tödliche Gift, wie die Forscher jetzt belegten.
Aufnahmen im Elektronenmikroskop enthüllten, dass die Gifthaare einen doppelten Schaft besitzen. „Der zentrale Teil jedes Haarschafts ist von einem dünnen, aber stabilen äußeren Zylinder umgeben. Dieser ist von zahlreichen Löchern durchsetzt“, berichten die Wissenschaftler.
Streicht die Mähnenratte ihren mit dem Pflanzengift vermischten Speichel auf diese Haare, saugen sie das Sekret auf wie ein Schwamm. Die Flüssigkeit trocknet anschließend zu einem zähen Schleim aus. „Die offene Struktur der Haare stellt sicher, dass ‚geladene‘ Haare nicht berührt werden können, ohne dass man in Kontakt mit dem Gift kommt“, sagen die Forscher.
Nur der Igel zeigt ein vergleichbares Verhalten
Die Nutzung eines fremden Gifts ist unter den Säugetieren bisher nur von Igeln bekannt. Diese „melken“ Hautdrüsen der Erdkröte und streichen mit dem leicht giftigen Sekret ihre Stacheln ein. Ein so tödliches, schon bei Berührungen wirkendes Gift wie bei der Mähnenratte Lophiomys sei aber von Säugern bisher nicht bekannt gewesen.
„Zusammen mit anderen morphologischen, anatomischen und Verhaltensanpassungen ist dies eine wirkungsvolle Verteidigung, die für ein Säugetier extrem ungewöhnlich ist“, schreiben die Forscher in ihrem Artikel. (Proceedings of the Royal Society B, 2011; DOI: 10.1098/rspb.2011.1169)
(Proceedings of the Royal Society B / University of Oxford / dapd, 03.08.2011 – NPO)