Deutsche Wissenschaftler haben jetzt die Architektur des größten Proteinkomplexes der zellulären Atmungskette aufgeklärt. Sie entdeckten dabei einen bisher unbekannten Mechanismus der Energieumwandlung in diesem molekularen Komplex. Der Mechanismus ist notwendig, damit die Zelle die in der Nahrung gespeicherte Energie nutzen kann, berichten die Forscher in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.
Die nach zehnjähriger Arbeit gelungene röntgenkristallographische Strukturanalyse des Proteinkomplexes zeigte, dass dieser aus mehr als 40 verschiedenen Proteinen besteht. Er markiert den Anfangspunkt der Zellatmung und wird deshalb auch als mitochondrialer Komplex I bezeichnet.
Wichtige Forschungsergebnisse
„Ein detailliertes Verständnis der Funktion von Komplex I ist von besonderem medizinischem Interesse, da Fehlfunktionen mit einer Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer, aber auch dem biologischen Altern insgesamt, in Verbindung gebracht werden“, so Professor Ulrich Brandt vom Exzellenzcluster „Makromolekulare Komplexe“ (CEF) der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zusammen mit Kollegen der Universität Freiburg waren die Forscher um Brandt für die neuen Ergebnisse verantwortlich.
Mitochondrien als Kraftwerke der Zelle
Der Energiestoffwechsel findet in den so genannten Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, statt. Sie überführen die von außen in Form von Nahrung aufgenommene Energie in den zellintern universell einsetzbaren Energieträger Adenosintriphosphat, kurz ATP. Eine Kette von fünf, kompliziert gebauten molekularen Maschinen in der Mitochondrienmembran führt diese Energieumwandlung durch.
Die Herstellung von ATP in den Mitochondrien durchläuft deshalb so viele Schritte, weil die zugrunde liegende Umsetzung einer Knallgasreaktion entspricht. Lässt man im Labor Wasserstoffgas und Sauerstoff miteinander reagieren, verpufft die in den Ausgangsstoffen enthaltene Energie explosionsartig in Form von Wärme. Bei der biologischen Oxidation durch die membrangebundenen Proteinkomplexe der Atmungskette wird die Energie dagegen kontrolliert in kleinen Paketen freigesetzt.
Wie bei einer Brennstoffzelle wird sie in ein elektrisches Membranpotential umgewandelt, das letztendlich für die Synthese von ATP genutzt werden kann. Zusammengerechnet bilden die Oberflächen der Mitochondrien im menschlichen Körper eine Fläche von 14.000 Quadratmetern. Dort werden täglich etwa 65 Kilogramm ATP produziert.
Molekulares „Transmissionsgestänge“
Das jetzt vorgestellte Strukturmodell der Forscher gibt wichtige und unerwartete Hinweise auf die Funktionsweise von Komplex I. Eine aus keinem anderen Protein bekannte Form eines molekularen „Transmissionsgestänges“ scheint demnach für den Energietransfer innerhalb des Proteinkomplexes durch mechanische Kopplung im Nanomaßstab verantwortlich zu sein.
Übertragen auf die Welt der Technik ließe sich dies nach Angaben der Wissenschaftler als eine Kraftübertragung durch eine Art Kuppelstange beschreiben wie sie etwa die Räder einer Dampflok verbindet. Dieser neue nanomechanische Ansatz soll nun durch ergänzende funktionelle Studien und eine verfeinerte strukturelle Analyse weiter untersucht werden.
(idw – Universität Freiburg im Breisgau / Goethe-Universität Frankfurt am Main, 05.07.2010 – DLO)