Evolution

Natronseen als Wiege des Lebens?

Urzeitliche Sodaseen könnten die nötigen Phosphormengen enthalten haben

Mono Lake in Kalifornien
In großen Natronseen wie dem Mono Lake in Kalifornien reichert sich Phosphor in großen Mengen an, was wiederum die Entstehung von Leben begünstigt haben könnte. © ASMR/ iStock

Wässrige Kinderstube: Das erste Leben könnte in großen Natronseen entstanden sein – besonders mineralreichen alkalischen Gewässern. Denn anders als an vielen anderen Orten der Urerde könnte es in diesen Seen genügend Phosphor für Biomoleküle und die ersten Zellen gegeben haben, wie Forschende ermittelt haben.

Vor 3,5 bis vier Milliarden Jahren entstand das erste Leben auf der Erde. Aber wie und wo? Als Voraussetzung gilt eine Umgebung, in der genügend chemische Bausteine für Biomoleküle und Zellen vorhanden waren. Zu den möglichen Kandidaten für solche Wiegen des Lebens gehören daher hydrothermale Schlote im Meer, Einschlagskrater, Geysire und Gesteinsporen. In ihnen könnten sich die nötigen Minerale und Moleküle in ausreichender Konzentration angereichert haben.

Weißer Phosphor Strukturformel
Phosphor ist ein essenzieller Baustein für irdisches Leben. © NEUROtiker

Ohne Phosphor kein Leben

Nun ist ein neuer Kandidat hinzugekommen: große Natronseen. Wie Forschende um Craig Walton von der University of Cambridge argumentieren, könnte sich in diesen alkalischen, mineralreichen Seen eine essenzielle Lebenszutat angesammelt haben, die an anderen Orten wahrscheinlich eher Mangelware war. Die Rede ist von Phosphor – einem zentralen Bestandteil von organischen Molekülen wie DNA, RNA oder dem Energieträger ATP (Adenosintriphosphat).

Anders als andere wichtige Lebensbausteine wie Stickstoff oder Kohlenstoff ist Phosphor auf der Erdoberfläche relativ selten – damals wie heute. Doch wie Laborexperimente ergeben haben, erfordert präbiotische Chemie sehr hohe Phosphorkonzentrationen – etwa 10.000-mal mehr als in Wasser natürlicherweise vorkommt. Die Schlussfolgerung liegt daher nah, dass das erste Leben an einem Ort mit hoher Phosphorkonzentration entstanden sein muss – zum Beispiel in einem Natronsee.

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Natronseen als Lebensbringer?

Natronseen besitzen ungewöhnlich hohe pH-Werte und Salzgehalte. Die Binnengewässer kommen in niederschlagsarmen Regionen vor – zum Beispiel in Tansania oder Kalifornien. Da Natronseen keinen natürlichen Ablauf besitzen, geben sie Wasser nur durch Verdunstung ab. Das in ihnen enthaltene Phosphor wird somit nicht von Flüssen oder Bächen abgeführt, sondern verbleibt im See und reichert sich dort immer weiter an – eine optimale Voraussetzung für die Entstehung von Leben.

Doch nicht jeder Natronsee ist gleich gut geeignet, wie die Forschenden betonen. Kleinere schließen sie als Wiege des Lebens aus. „Sobald sich Leben in ihnen entwickelt, würde ihr Phosphorvorrat schneller zur Neige gehen, als er wieder aufgefüllt wird. Dies würde sowohl die chemischen Reaktionen als auch das sich daraus entwickelnde Leben im Keim ersticken“, erklärt Walton. Bei großen Natronseen hingegen seien die Phosphorkonzentrationen hoch genug, um sowohl die grundlegenden chemischen Reaktionen als auch das Leben langfristig zu versorgen.

Eine Lebenswiege der Moderne

Als Beispiel für einen großen Natronsee der Moderne ziehen Walton und seine Kollegen den Mono Lake in Kalifornien heran. Er ist ungefähr doppelt so groß wie der Chiemsee. Wie Analysen ergeben haben, unterhält der Mono Lake konstant eine Phosphorkonzentration von fast einem Millimol. Auf der frühen Erde könnten es jedoch noch deutlich mehr gewesen sein.

„Wenn die Phosphor-Umsatzraten langsamer waren, was für präbiotische chemische Systeme im Vergleich zu biologischen Systemen plausibel erscheint, könnten die Phosphor-Konzentrationen bis zu 100 Millimol betragen haben“, schreiben Walton und seine Kollegen. Das könnte ausgereicht haben, um dem Leben den entscheidenden Startschuss zu geben.

Die Forschenden sehen ihre Idee dadurch weiter bestätigt. „Diese neue Theorie hilft dabei, ein weiteres Stück des Rätsels um den Ursprung des Lebens auf der Erde zu lösen“, betont Walton. (Science Advances, 2025; doi: 10.1126/sciadv.adq0027

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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