Zickzack-förmig angeordnete Ionenkanäle im Spermienschwanz sind entscheidend für die Schwimmfähigkeit der Samenzellen, wie Forschende entdeckt haben. Erst sie ermöglichen den Spermien ihre typische schraubenförmige Fortbewegung. Überraschend jedoch: In der Nähe der Eizellen stellen die Spermien diese Bewegung um – und dafür ist ein Eizell-Protein verantwortlich. Sein Einfluss schaltet eine Art „Turbo“ im Spermienschwanz ein, mit dem die Samenzellen die zähe Eihülle durchdringen können.
Männliche Spermien haben es schwer: Nur rund ein Dutzend der Millionen bei einer Ejakulation freigesetzten Samenzellen schaffen den langen Weg durch den weiblichen Genitaltrakt bis zur Eizelle. Welches Spermium das Rennen macht, hängt unter anderem von ihrer Fitness, ihrem Timing und ihrer Schwimmstrategie ab, aber auch von subtilen Signalen der Eizelle. Motor für den Antrieb ist das symmetrische Schlagen des Spermienschwanzes, der die Samenzelle auf einem Großteil des Weges in einer spiraligen Bewegung vorwärtsbringt.
Eizell-Protein löst Bewegungswechsel aus
Doch in der Nähe der Eizelle ändert sich die schraubige, symmetrische Bewegung des Spermiums plötzlich: „Die Geißel schlägt nun asymmetrisch und mit geringerer Amplitude und erzeugt eine starke seitliche Auslenkung des Spermienkopfes“, erklären Caroline Wiesehöfer von der Universität Duisburg-Essen und ihre Kollegen. Erst dieser als Hyperaktivierung bezeichnete Wandel des Bewegungsmusters ermöglicht es dem Spermium, die zähe Zona pellucida, eine aus Glykoproteinen bestehende Schutzhülle der Eizelle, zu durchdringen.
Für ihre Studie hatten Wiesehöfer und ihr Team an Mäusespermien untersucht, was diesen Wandel verursacht. Dabei fanden sie heraus, dass ein Protein der Zona pellucida, ZP2, dafbei eine entscheidende Rolle spielt: Nur wenn dieses Glykoprotein in Kontakt mit dem Spermienkopf kommt und an ihn bindet, kommt es zur Hyperaktivierung und das Spermium ändert sein Bewegungsmuster.
„Wir vermuten, dass ZP2 Teil eines wichtigen Lenkungsmechanismus ist, der dem Spermium hilft, die Eizelle zu finden, sobald es näherkommt“, erklärt Wiesehöfers Kollege Gunther Wennemuth.
Zickzack-Reihe aus Calciumkanälen
Was bei der Hyperaktivierung im Spermienschwanz passiert und wie dessen Bewegung gesteuert wird, hat ein zweites Team um Yanhe Zhao von der University of Texas in Dallas herausgefunden. Sie untersuchten mithilfe der Cryo-Elektronentomografie und zellphysiologischen Analysen die Anordnung und Funktion der CatSper-Ionenkanäle. Diese Calciumkanäle im Spermienschwanz verändern ihre Aktivität beim Binden des Eizell-Proteins, wie Wiesehöfer und ihr Team zuvor ermittelt hatten.
Die Analysen enthüllten: Die aus zehn Proteinen bestehenden, sehr komplexen CatSper-Ionenkanäle bilden im Spermienschwanz von Mensch und Maus ein regelmäßiges Muster. Sie sind doppelreihig in einem regelmäßigen, rund 25 Nanometer breiten Zickzack-Muster angeordnet, wie Zhao und seine Kollegen berichten. Nur wenn diese Kanäle vorhanden, korrekt angeordnet und funktionsfähig sind, kann das Spermium seine spiralige Schwimmbewegung durchführen.
Entscheidende Rolle für die Hyperaktivierung
Auch für die Hyperaktivierung spielt die Zickzack-Struktur aus Ionenkanälen eine wichtige Rolle, wie ergänzende Experimente nahelegten: „Wir vermuten, dass die Zickzack-Anordnung im Spermienschwanz die koordinierte Öffnung der gesamten Reihe der CatSper-Kanäle erlaubt und so einen starken und synchronisierten Calcium-Einstrom ermöglicht“, erklären die Forschenden. Dies verändert Schlagmuster und Krümmung des Spermienschwanzes und sorgt für den Wechsel des Bewegungsmusters, sobald die Samenzelle in Kontakt mit dem Eizell-Protein kommt.
Die Ergebnisse beider Studien tragen damit dazu bei, die physiologischen und strukturellen Mechanismen hinter der Spermienbewegung zu erhellen. Gleichzeitig bietet dies nun neue Ansätze, um Störungen der Spermienmobilität und damit für eine Unfruchtbarkeit zu verstehen. (FASEB Journal, 2022; doi: 10.1096/fj.202101656RR; Nature Communiations, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-31050-8)
Quelle: Universitätsklinikum Essen