Einzigartiges Repertoire: Im Norden der Demokratischen Republik Kongo haben Schimpansen eine ganz eigene, zuvor unbekannte Kultur entwickelt. Sie nutzen andere Werkzeuge als ihre Artgenossen, schlagen Termitennester auf, statt die Insekten nur zu angeln und schlafen vorwiegend auf dem Boden. Dies stelle ein neues, einzigartiges Verhaltensrepertoire unter Schimpansen dar, berichten die Forscher.
Schimpansen sind nicht nur unsere nächsten Verwandten, auch ihre Kultur ist vielfältiger und ausgefeilter als bei jeder anderen Affenart. So verwenden einige Gruppen Knüppel, um Bienenstöcke zu öffnen, andere haben gelernt, mit langen Stöcken nach schmackhaften Algen zu fischen oder Nüsse mithilfe von Steinhämmern zu knacken. Einige Populationen scheinen sogar so etwas wie Rituale zu besitzen.
Ein ganz eigener Satz von Werkzeugen
Eine bisher unbekannte Schimpansenkultur haben nun Forscher um Thurston Hicks vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig im Norden der Demokratischen Republik Kongo entdeckt. Demnach verfügen die Östlichen Schimpansen (Pan troglodytes schweinfurthii) in der Region Bili-Uéré über ein ganz eigenes Repertoire an Werkzeugen und Verhaltensweisen.
„Wir beschreiben ein neues Schimpansen-Werkzeugset: Lange Stöcke zum Sammeln von epigäischen Treiberameisen, kurze Stöcke zum Sammeln von Stechameisen und zum Sammeln von Honig aus den Baumnestern stachelloser Bienen, dünne kurze Stöcke zur Extraktion von Ameisen der Art Dorylus kohli und stabile Stöcke, die die Tiere verwenden, um die unterirdischen Nester stachelloser Bienen zu erreichen“, berichtet Hicks.
Termitenjagd mit Schlagtechnik
Ungewöhnlich auch: Die Schimpansen dieser Population knacken nicht nur Nüsse und andere Früchte durch harte Schläge gegen Stein oder Holz– sie nutzen diese Schlagtechnik auch, um Termitenhügel zu öffnen. „Als wir uns einer lauten Gruppe von Schimpansen näherten, hörten wir das lauten, wiederholte Geräusch eines Objekts, das gegen ein hartes Substrat geschlagen wird“, berichten die Forscher.
Wie sich zeigte, hatten die Schimpansen die Nester baumbewohnender Termiten abgerissen und schlugen sie nun heftig gegen den Baumstamm – um die harte Nesthülle aufzuknacken. „Wir haben auch vorläufige Belege dafür, dass Östliche Schimpansen afrikanische Riesenschnecken und Schildkröten gegen Substrate schlagen, beide waren als Nahrungsquellen für Schimpansen bisher nicht bekannt“, berichtet Hicks.
Schlafnester auf dem Boden statt im Baum
Und noch einen Unterschied gibt es: Während die meisten Schimpansen ihre Schlafnester in Bäumen bauen, scheint dies bei den Schimpansen im Nord-Kongo eher die Ausnahme zu sein: Die meisten von ihnen schlafen in Nestern auf dem Boden, wie die Forscher berichten. Trotz einiger lokaler Varianten dieser Verhaltensweisen sehen die Forscher in diesem Verhaltensrepertoire eine neue, ganz eigenen Schimpansenkultur.
„Es ist großartig, dass wir neue faszinierende Verhaltensmerkmale in dieser Schimpansen-Population entdecken konnten“, sagt Hicks Kollege Christophe Boesch. „Wir hoffen natürlich sehr, dass die vielen Bedrohungen, denen diese Tiere ausgesetzt sind, sie nicht auslöschen werden, wo wir doch gerade mehr über ihre Einzigartigkeit lernen.“
Blick zurück auf unsere Vorfahren
Wie die Forscher erklären, könnte die Erforschung solcher Kulturen bei den Schimpansen auch dabei helfen, die Entstehung von Kulturen und Traditionen bei unseren eigenen Vorfahren besser zu verstehen. „Wir brauchen solche natürlichen Laboratorien, um zu verstehen, wie sich eine materielle Kultur unter gesunden, gedeihenden Hominiden-Populationen verbreitet“, betont Hicks.
In der überentwickelten Welt von heute gebe es nur noch verschwindend wenige Möglichkeiten, eine große intakte Menschenaffenkultur zu erforschen. Im Falle der Schimpansen im Norden des Kongo erstreckt sich diese Kultur sogar über mindestens 50.000 Quadratkilometer Wald. (Folia Primatologica, 2019; doi: 10.1159/000492998)
Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie