Hoffnung gegen Haarausfall: Forscher haben ein mögliches Mittel gegen den männlichen Haarausfall identifiziert – es könnte den für Männer typischen Haarverlust aufhalten. Denn der ursprünglich gegen Osteoporose entwickelte Wirkstoff verlängert die Wachstumsphase der Haarfollikel und fördert die Produktion neuer Haare, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS Biology“ berichten. Das Skurrile daran: Entdeckt haben sie den Wirkstoff über die Nebenwirkung eines anderen Medikaments.
Es trifft mehr als drei Viertel aller Männer: Mit zunehmendem Alter lichten sich die Kopfhaare, es bilden sich Geheimratsecken und schließlich droht eine Glatze. Der Haarverlust ist dabei fast unausweichlich – bisherige Mittel dagegen helfen nur bedingt. Auch die Ursachen und biochemischen Mechanismen hinter der androgenetischen Alopezie sind bisher nur in Teilen geklärt. Bekannt ist jedoch, dass Gene beteiligt sind und dass eine Überempfindlichkeit der Haarwurzel gegenüber dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron eine wichtige Rolle spielt.
Vielversprechende Nebenwirkung
Eine ganz neue Ansatzstelle haben nun Nathan Hawkshaw von der University of Manchester und seine Kollegen entdeckt – über einem kuriosen Umweg. Auf der Suche nach möglichen neuen Haarwuchsmitteln war ihnen aufgefallen, dass ein früher nach Transplantationen eingesetztes Medikament eine ungewöhnliche Nebenwirkung besaß: Das Cyclosporin A verursacht übermäßigen und unerwünschten Haarwuchs.
Neugierig geworden, untersuchten die Forscher, welcher Mechanismus hinter dieser Nebenwirkung des immunsuppressiven Mittels steckt. Dafür behandelten sie in Kultur gehaltene Haarfollikel mit Cyclosporin A und analysierten die Genaktivität der Haarwurzelzellen. Dabei zeigte sich: Das Cyclosporin A wirkt – unabhängig von seiner immunsuppressiven Wirkung – ganz spezifisch auf ein Gen in der Haarwurzel. Das Mittel unterdrückt dadurch die Produktion eines bestimmten Proteins, SFRP1.
Haarwuchs-„Bremse“ ausgeschaltet
Das Spannende daran: Weitere Versuche zeigten, dass das Protein SFRP1 offenbar eine natürliche Bremse für den Haarwuchs ist: Ist dieses Protein reichlich in der Haarwurzel vorhanden, hemmt es das Wachstum des Haares und löst eine Pause im Wachstumszyklus der Haarwurzel aus, wie Hawkshaw und seine Kollegen berichten. Das Cyclosporin dagegen schaltet diese „Bremse“ aus und fördert so das Haarwachstum.
Damit habe man eine ganz neue und vielversprechende Ansatzstelle für Therapien gegen Haarausfall entdeckt, so die Forscher. Allerdings: Cyclosporin A unterdrückt die normale Funktion des Immunsystems und eignet sich daher nicht als Haarwuchs-Medikament – die Nebenwirkungen wären zu gefährlich. Daher suchten die Wissenschaftler als nächstes nach einem Wirkstoff, der ebenfalls das Protein SFRP1 hemmt, aber verträglicher ist.
Osteoporose-Wirkstoff als Haarwuchsmittel?
Und sie wurden fündig – bei WAY-31660, einem ursprünglich gegen Osteoporose entwickelten Mittel. Als die Forscher menschliche Haarfollikel in Kultur mit diesem Wirkstoff behandelten, zeigten sich bereits nach zwei Tagen ein sichtbarer Effekt: Der Haarschaft der Follikel wuchs deutlich stärker als bei den unbehandelten Kontrollen – und sogar schneller als bei Cyclosporin A, wie Hawkshaw und seine Kollegen berichten. Gleichzeitig stieg auch die Keratinproduktion in der Haarwurzel messbar an.
„Doch die größte Herausforderung bei der Therapie des Haarausfalls ist es, die aktive Wachstumsphase des Haarfollikels zu verlängern“, erklären die Forscher. Denn bei der Alopezie gehen die Haarwurzeln verfrüht und dauerhaft in einen Ruhezustand über. „Es ist daher entscheidend zu testen, ob WAY-31660 auch diese Wirkung des Cyclosporin A repliziert.“
Und tatsächlich: Sechs Tage nach Versuchsbeginn war ein deutlich größerer Prozentsatz der behandelten Haarfollikel noch in ihrer aktiven Wachstumsphase als bei den Kontrollen, wie die Forscher feststellten.
Vielversprechender Kandidat
„Das demonstriert, dass WAY-31660 ein vielversprechender Promotor des menschlichen Haarwuchses ist“, konstatieren Hawkshaw und seine Kollegen. Weil dieser Wirkstoff zudem sehr selektiv auf die SFRP1-Produktion wirkt, könnte er relativ verträglich sein und wenig Nebenwirkungen haben.
„Als nächstes ist nun eine klinische Studie nötig, die uns verrät, ob dieses Mittel und ähnliche Wirkstoffe bei Patienten mit Haarausfall sowohl effektiv als auch sicher wirken“, so die Forscher. (PLOS Biology, 2018; doi: 10.1371/journal.pbio.2003705)
(University of Manchester, 09.05.2018 – NPO)