Neuentdeckter Riechhelfer: Forschende haben einen zuvor unbekannten Zellorganellen-Typ in Riechzellen von Mäusen gefunden, den es in ähnlicher Form wahrscheinlich auch bei uns gibt. Die membranumschlossenen Bläschen enthalten verschiedene Proteine, die die Wahrnehmung von Gerüchen an das Gehirn vermitteln. Die neuen Erkenntnisse könnten eventuell dabei helfen, den gestörten Geruchssinn durch eine Covid-19-Erkrankung zu behandeln.
Eine Rose riecht anders als ein Stück Käse und das wiederum anders als Kaffeepulver. Das wissen wir dank der Riechzellen in unserer Nase, die verschiedenste Düfte wahrnehmen, in einen Nervenimpuls umwandeln und an das Gehirn weiterleiten können. Diese Transduktion beginnt, wenn ein chemischer Duftpartikel in unsere Nase gelangt und dort auf feine Sinneshärchen trifft, die aus den Riechzellen herausragen. An der Oberfläche dieser Sinneshärchen befinden sich Rezeptoren, an die die Duftmoleküle andocken können.
Ist das geschehen, setzt dies eine Reaktionskaskade in Gang, in deren Verlauf verschiedene Botenstoffe und Proteine von der Riechsinneszelle ausgeschüttet werden. Zuvor müssen diese Proteine jedoch im zentralen Zellkörper der Riechzelle produziert, bis in ihre Ausläufer in der Nasenschleimhaut transportiert und dort bis zu ihrem Einsatz gespeichert werden. Wie die Zelle dies bewerkstelligt, war jedoch bislang ungeklärt.
Spurensuche in der Mäuse-Nase
Doch Forschende um Devendra Kumar Maurya von der schwedischen Umeå Universität sind der Lösung dieses Rätsels nun womöglich einen Schritt nähergekommen. Entscheidend für die Entdeckung war eine von Maurya entwickelte Methode, mit der sich intakte Neuronen in Gewebeschnitten analysieren lassen.
Für die Analysen markierte das Team Gewebeschnitte von Mäuse-Riechzellen zunächst mittels Lektin- und Immunfluoreszenzfärbung und betrachtete sie dann mithilfe von Elektronen- und Lichtmikroskopen. Auf diese Weise konnten die Forschenden sowohl die inneren Strukturen der Riechzellen als auch die Position verschiedener darin enthaltener Proteine gleichzeitig abbilden.
Proteinbläschen als Geruchsmanager
Das Ergebnis: Die Methodenkombination offenbarte einen bislang unbekannten Organellentyp in den Riechzellen. Diese membranumhüllten Bläschen fanden sich besonders häufig in den dendritischen Fortsätzen der Sinneszellen und enthielten meist mehrere, für die Geruchswahrnehmung relevante Proteine. Die Organellen dienen den Riechzellen offenbar als Speicher und Transportvehikel für die Transduktionsproteine. Maurya und sein Team haben sie daher „multivesikuläre Transducosomen“ getauft.
Die Proteine bleiben so lange in den Transducosomen gespeichert, bis sie benötigt werden. Das ist dann der Fall, wenn Geruchspartikel in unsere Nase gelangen. „Multivesikuläre Transducosomen zerfallen als Reaktion auf Geruchsreize“, schreiben Maurya und seine Kollegen. Ihre äußere Membran reißt dann auf und setzt die Proteine frei. Diese können dann die Sinneshärchen der Riechzellen erreichen und die Wahrnehmung des eingehenden Geruchs vermitteln.
Transducosomen transportieren auch Sehzell-Proteine
Die Transducosomen beherbergen unter anderem die Proteine für Geruchsrezeptoren, das Enzym Adenylatzyklase 3, Untereinheiten von G-Proteinen und Chloridionen-Kanäle, wie Mauryas Team berichtet. Gleichzeitig stecken in den neu entdeckten Organellen aber auch Proteine, die nicht direkt mit der Geruchswahrnehmung zusammenhängen. Dazu gehört zum Beispiel ESCRT-0, das den Aufbau von Bläschenkörpern initiiert – kugelförmigen „Transportwaggons“, die Vesikel innerhalb der Zelle transportieren.
Doch in den Transducosomen befinden sich auch zwei Proteine, die die Wissenschaftler dort nicht vermutet hätten: das Membranprotein Synaptophysin und das regulierende Protein Retinitis Pigmentosa 2 (RP2), das eigentlich in den Sinneszellen der Augen vorkommt. „Eine Frage, die weiter erforscht werden muss, ist, ob das Transducosom eine Rolle beim Sehen spielt und ob es in Gehirnneuronen vorhanden ist, die durch Neurotransmitter und nicht durch Licht und Geruch aktiviert werden. Wenn ja, könnte sich die Entdeckung als noch bedeutsamer erweisen“, sagt Mauryas Kollege Staffan Bohm.
Behandlung für Covid-Geruchsausfall?
Ein besseres Verständnis der Geruchswahrnehmung könnte auch dazu beitragen, eine Störung des Geruchssinns zu beheben. Diese ist zum Beispiel ein häufiges Symptom einer Covid-19-Erkrankung. Weitere Forschung an den nun entdeckten Transducosomen und ihren Funktionsmechanismen könnte langfristig zu Behandlungsmöglichkeiten für den Covid-Geruchsausfall führen. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-34604-y)
Quelle: Umeå University