Biologie

Neues Pockenvirus macht Eichhörnchen krank

Im Berliner Raum grassierende Krankheit wird von unbekannter Pockenviren-Art verursacht

Eichhörnchen im Stadtpark – noch scheint das neue Pockenvirus vor allem im Berliner Rarum zu grassieren. © Ray eye/ CC-by-sa 2.0

Tödliche Gefahr: Ein bisher unbekanntes Pockenvirus macht Eichhörnchen in Deutschland krank. Vor allem Jungtiere entwickeln Entzündungen an Ohren und Extremitäten und können daran sogar sterben. Gen-Analysen haben jetzt enthüllt, dass eine bisher unbekannte Art von Pockenviren diese Krankheit verursacht. Für Infektionsforscher ist dies eine kleine Sensation. Das „Berliner Eichhörnchenvirus“ scheint für Menschen jedoch ungefährlich zu sein, wie die Forscher erklären.

Das Europäische Rote Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) ist bei uns häufig und in fast ganz Europa verbreitet. Selbst in Großstädten kann man die Hörnchen in Parks und Gärten sehen. Doch jetzt grassiert eine seltsame Krankheit unter ihnen: Seit mehreren Jahren wurden im Raum Berlin junge Rote Eichhörnchen mit schweren Entzündungen an Händen, Füßen und Ohren gefunden, ohne dass die Ursache bekannt war.

Rätselhafte Entzündungen

„Die Kleinen können sich nicht mehr festhalten, weil ihre Fingerchen zusammenkleben. Die Wunden sind so schmerzhaft, dass die Tiere oftmals unter Schock versterben“, berichtet Tanya Lenn von der Eichhörnchenhilfe Berlin/Brandenburg, die schon viele Eichhörnchen durch intensive Pflege wieder gesund werden sah. „Wenn sie zu spät entdeckt werden, schaffen es trotz größter Bemühungen nicht alle Tiere.“

Einige der verstorbenen Tiere wurden dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zur pathologischen Untersuchung übergeben. Die verantwortliche Wildtierpathologin, Gudrun Wibbelt, fand bei allen Tieren tiefgreifende Hautentzündungen, die durch Besiedlung von Bakterien und Hefen verkompliziert wurden. „Das wichtigste Merkmal der erkrankten Haut waren die rundlichen Einschlüsse in den Hautzellen, die in der mikroskopischen Untersuchung sichtbar wurden“, erklärt Wibbelt.

Eichhörnchen mit Pockenvirus-Läsionen © Gudrun Wibbelt/ Leibniz-IZW

Auffällige Viren

Mit Hilfe des Elektronenmikroskops konnten die Forscher in diesen Einschlüssen Viruspartikel nachweisen. Bei allen untersuchten Eichhörnchen waren die gleichen Viren im Elektronenmikroskop sichtbar. Form und Größe dieser Viren erinnerten die Wissenschaftler sehr stark an Kuhpockenviren, wie sie berichten. Zur Abklärung des Verdachts wurden Proben an das Konsiliarlabor für Pockenviren im Robert Koch-Institut (RKI) geschickt.

Doch zur großen Überraschung der Forscher lieferten molekularbiologische Analysen kein positives Ergebnis – es handelte sich keine der bekannten Tierpockenviren-Arten. Daraufhin isolierten RKI-Forscher das Virus und entschlüsselten das vollständige Genom der angezüchteten Viren. Die Erbinformation des Virus verglichen sie erneut mit denen aller bekannten Pockenviren.

Ein neues Pockenvirus

Das Ergebnis: Das Berliner Eichhörnchenvirus ist eine neue Pockenvirusart, die nur weit entfernt mit den anderen Pockenviren verwandt ist. „Die Entdeckung eines neuartigen Pockenvirus gilt unter Wissenschaftlern, die sich mit Pockenviren befassen, als kleine Sensation und ist umso bemerkenswerter, wenn so etwas vor der eigenen Haustür geschieht“, erläutert Wibbelt.

Die Forscher vermuten, dass dieses neue Pockenvirus bereits seit einigen Jahren unter den Eichhörnchen im Berliner zirkuliert. Sie arbeiten nun daran, dieses Virus näher zu untersuchen und zu charakterisieren. Beruhigend dabei: „Das Virus scheint spezifisch Eichhörnchen zu befallen, so dass Infektionen bei Menschen oder Haustieren nicht zu erwarten sind“, sagt Wibbelt. Denn keiner der Helfer, die regelmäßig erkrankte und tote Eichhörnchen berührten, haben sich bisher infiziert.

Hauterkrankungen durch ein anderes Eichhörnchen-Pockenvirus sind seit langer Zeit bei Roten Eichhörnchen in Großbritannien bekannt. Die Erreger sind dort mitverantwortlich für die regionale Ausrottung dieser Wildtierart. Überträger dieser anderen Virusart sind die großen Grauen Eichhörnchen, die im späten 19. Jahrhundert von Nordamerika nach England eingeführt wurden. (Emerging Infectous Diseases, 2017; doi: 10.3201/eid2310.171008

(Forschungsverbund Berlin e.V., 09.08.2017 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Wilde Tiere in Deutschland - Von Dietmar Nill

Virus - Die Wiederkehr der Seuchen von Nathan Wolfe

Top-Clicks der Woche