Ständig sind wir online, immer auf dem Laufenden: Dank der neuen Technologien können wir uns immer und überall auf den neuesten Stand bringen. Aber welche Folgen hat diese ständige Informationsflut für unser Gehirn? Ein schwedischer Forscher warnt: Wir nehmen unserem Denkorgan damit wichtige Leerlauf-Pausen – Zeiten, in denen es das zuvor Aufgenommene verarbeiten kann. Das aber kann zur Überlastung des Arbeitsgedächtnisses führen.
Entgegen gängiger Annahme ist unser Gehirn auch in Phasen des Leerlaufs aktiv, wenn wir untätig sind, herumträumen oder sogar dösen. „Unser Gehirn ist so konstruiert, dass es immer zwischendurch in einen weniger aktiven Zustand verfällt“, sagt Erik Fransén vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm. „Das mag uns als Verschwendung erscheinen, ist aber wichtig, denn in dieser Zeit werden Erinnerungen gefestigt und Informationen vom Arbeitsgedächtnis in das Langzeitgedächtnis übertragen.“
Engpass Arbeitsgedächtnis
Doch durch unsere moderne Lebensweise gehen diese Phasen des einfach nur Entspannens zunehmend verloren: Selbst an der Bushaltestelle, im Wartezimmer des Arztes oder in der U-Bahn nutzten wir unsere Smartphones und Tablets, um ständig das Neueste aus unserem sozialen Netzwerk oder dem Weltgeschehen abzurufen. All dies gelangt zunächst in unser Arbeitsgedächtnis.
„Dieses hilft uns dabei, die Informationen zu filtern und gezielt das aus der Kommunikation zu entnehmen, das wir brauchen“, erklärt Fransén. „Dieser Teil des Gedächtnisses ist es auch, der arbeitet, wenn wir online sind und uns die dort gesehenen Dinge merken.“ Das Problem dabei: Unser Arbeitsgedächtnis hat nur eine begrenzte Kapazität – ähnlich wie der Arbeitsspeicher eines Computers.
Überlast durch Facebook und Co
In Computermodellen der Hirnfunktion ermittelte Fransén, dass wir uns darin nur etwa drei bis vier Dinge gleichzeitig merken können. Wenn wir versuchen, mehr aufzunehmen, wird das System überlastet und Daten gehen verloren. Das könne beispielsweise passieren, wenn man während der Arbeit chatte oder auf Facebook sei und dabei große Mengen an Informationen auf einmal die Wahrnehmung überfluten. Denn die über die verschiedenen Sinne einströmenden Reize benötigen alle die gleiche begrenzte Ressource: Platz im Arbeitsgedächtnis.
Diese Überlast trainiere nicht das Gedächtnis, es schwäche sie durch ständiges Störfeuer neuer Daten, so der Forscher. Dadurch werde die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses kleiner und auch die Verarbeitung der Daten funktioniere nicht mehr so reibungslos. Wenn dann auch noch der Leerlauf wegfällt, kann das Arbeitsgedächtnis diese Überlast nicht abarbeiten, als Folge gehen Daten verloren. „Wenn wir durch diese Technologien unsere komplette wache Zeit ausfüllen, nehmen wir dem Gehirn die Zeit für die Verarbeitung – das kann auf Dauer nicht funktionieren“, so Fransén.
(The Royal Institute of Technology, 23.09.2013 – NPO)