Entscheidender Vorteil? Der moderne Mensch war in einem wichtigen Detail gegenüber dem Neandertaler und anderen Frühmenschen optimiert: Seine Zellteilung erzeugte weniger Chromosomenfehler, wie Forschende herausgefunden haben. Demnach führten Änderungen in drei Proteinen zu einer präziseren Anordnung und Aufteilung der Chromosomen bei der Zellteilung. Dies wirkte sich vor allem bei der Hirnentwicklung des ungeborenen Kindes aus und könnte dem Homo sapiens kognitive Vorteile gebracht haben.
Warum setzte sich der Homo sapiens als einzige Menschenart durch? Welche Vorteile hatte er gegenüber dem Neandertaler und anderen Frühmenschenarten? Bisher sind diese Fragen erst zum Teil beantwortet. So gibt es erste genetische Hinweise darauf, dass unsere Vorfahren ein besser entwickeltes Kleinhirn besaßen und kreativer waren. Außerdem zeigen Genomvergleiche, dass der Homo sapiens mehrere Schübe genetischer Innovationen durchlief. Dabei erwarb er Mutationen, die rund 100 Aminosäuren gegenüber dem Neandertaler veränderten. Doch welche biologischen Folgen dies hatte, ist offen.
Drei Proteine im Vergleichstest
Jetzt gibt es eine erste Spur: Ein Forschungsteam hat drei Proteine näher untersucht, die zusammen sechs dieser veränderten Aminosäuren tragen. „Diese drei Proteine stechen heraus, weil sie Aminosäure-Änderungen tragen, die bei allen heutigen Menschen vorkommen, aber nicht bei Menschenaffen, Neandertalern oder Denisova-Menschen“, erklären Felipe Mora-Bermudez vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und seine Kollegen. „Jede funktionale Konsequenz dieses Aminosäure-Austauschs wäre demnach für einzigartig für den modernen Menschen.“
Bereits bekannt ist, dass alle drei Proteine eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielen: KIF18a ist ein Motorprotein, das die korrekte Positionierung der Chromosomen kurz vor ihrer Aufteilung auf die Tochterzellen sicherstellt. KNL1 gehört zum Spindelapparat und wird für die Anheftung der Mikrotubuli an das Chromosomenzentrum benötigt. SPAG5 ist für die Stabilisierung dieser Anheftung wichtig. Alle drei Proteine sind zudem bei der vorgeburtlichen Entwicklung des Neocortex besonders aktiv, dem evolutionär jüngsten Teil unserer Großhirnrinde.