Sprachbegabte Meeressäuger: Orcas können neben verschiedenen Tierlauten auch die menschliche Sprache nachahmen. Ein in Frankreich gehaltenes Schwertwalweibchen hat auf Anhieb englische Wörter wie „hello“ und „bye bye“ imitiert und bis drei gezählt. Diese Meeressäuger können demnach keineswegs nur vertraute Laute wie die von Artgenossen oder Delfinen nachahmen.
Damit zeige sich einmal mehr, wie flexibel diese Meeressäuger in ihren Lautäußerungen sind, berichten die Forscher.
Die Fähigkeit, fremde Laute nachzuahmen, gilt als typisch menschlich. Doch auch Wale beherrschen diese Kunst: Von den Meeressäugern ist inzwischen bekannt, dass sie fremde Dialekte von Artgenossen und sogar die Sprache ganz anderer Walarten nachahmen können.
Doch nicht nur das: Auch vollkommen exotische Laute stellen für die Tiere offenbar keine Herausforderung dar. So berichteten Forscher vor einigen Jahren von einem Belugawal, der menschliche Worte und Stimmen imitieren kann. Um diese erstaunliche Lernfähigkeit genauer unter die Lupe zu nehmen, hat ein Team um José Abramson von der Pontificia Universidad Católica de Chile in Santiago de Chile nun einen Orca auf die Probe gestellt.
Sprachunterricht für einen Wal
Wale dieser Spezies besitzen ein komplexes akustisches Vokabular und haben sich in der Vergangenheit bereits als durchaus sprachbegabt erwiesen. Doch können sie auch lernen, die Sprache des Menschen „zu sprechen“? Diese Frage sollte den Wissenschaftlern die 14-jährige Schwertwaldame „Wikie“ beantworten, die in einem Meerespark im französischen Antibes lebt.
Für das Experiment bekam „Wikie“ zunächst die Aufgabe, sowohl fremde als auch bekannte Laute von Artgenossen nachzuahmen. Danach sollte sie einen Menschen imitieren, der walähnliche Töne von sich gab. Und schließlich folgte der schwierigste Test: „Wikie“ wurde mit typisch menschlichen Lauten konfrontiert – darunter Geräusche wie ein Lachen, aber auch englische Worte wie „one, two“ oder „hello“. Das Kommando, eine Bewegung oder ein Geräusch nachzumachen, kannte der Wal bereits aus seinen regelmäßigen Trainings für die Besuchershows.
Korrekt imitiert
Es zeigte sich: „Wikie“ gelang es ohne Probleme, sämtliche Laute aus dem Test korrekt zu imitieren. Dabei war es egal, ob diese von einem Artgenossen oder Menschen stammten oder ob sie die Laute schon einmal gehört hatte oder nicht. Bei den menschlichen Lauten und Worten produzierte das Orcaweibchen zwar keine perfekte Kopie des Gehörten – aber eine deutlich erkennbare, wie die Forscher berichten.
Dabei lernte sie erstaunlich schnell: Schon beim ersten Versuch ahmte „Wikie“ beispielsweise die Begrüßung „hello“ nach. Auch die Aufzählung „one, two, three“ glückte ihr sofort. Für den Lachlaut benötigte sie dagegen 17 Anläufe, bis ihr zum ersten Mal eine korrekte Kopie gelang. Nach dem ersten Erfolg ahmte die Schwertwaldame die jeweils neu gelernten Vokabeln immer wieder nach – wenngleich es ihr auch nicht jedes Mal gleich gut gelang.
Wenn der Orca bis zwei zählte, klang das zum Beispiel so:
Beleg für vokale Flexibilität
Diese Beobachtung unterstreiche einmal mehr die erstaunliche Lernfähigkeit und vokale Flexibilität der cleveren Orcas, betonen Abramson und seine Kollegen: Die Schwertwale besitzen die Fähigkeit, ihre Lautproduktion gezielt zu kontrollieren und zu verändern – und sich sprachlich an ihre Umwelt anzupassen. „Dabei können sie auch Laute imitieren, die außerhalb ihres natürlichen Repertoires liegen“, schreiben sie. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2018; doi: 10.1098/rspb.2017.2171)
(Proceedings of the Royal Society B, 31.01.2018 – DAL)