Papageien und Raben sind beim Lösen von technischen Aufgaben sehr begabt. Dies haben jetzt Wissenschaftler in gleich zwei Studien in den Fachzeitschriften „PLoS ONE“ und „Biology Letters“ erneut belegt. Danach baut die neukaledonische Krähe Corvus moneduloides längliche Werkzeuge, wie zum Beispiel kleine Stöcke oder Blattstücke, um nach Futter in Baumlöchern zu stochern. Auch der Kea Nestor notabilis nutzt im Experiment kompakte Objekte als Werkzeug, selbst wenn er in der Wildnis bisher keinen Werkzeuggebrauch gezeigt hat.
Der Kea ist ein Großpapagei, der in freier Wildbahn nur entlang des neuseeländischen Alpenkammes lebt. Etwa 45 Zentimeter lang und mit olivgrünem Federkleid bedeckt, gilt er als extrem neugierig, berühmt für seinen Drang, neue Objekte zu inspizieren und zu zerlegen. Die gänzlich schwarze Neukaledonische Krähe aus der Gattung der Raben und Krähen ist mit ungefähr 40 Zentimeter ein mittelgroßer Vertreter ihrer Art.
„Beim Werkzeugbau zeigt sie großes innovatives Können bei technischen Problemen“, erläutert Ludwig Huber vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien.
Belohnungen im Plexiglaswürfel
Ziel der im Fachjournal PLoS ONE veröffentlichten Studie war es, Flexibilität und Effizienz der beiden Vögel zu vergleichen. Die Wiener Forscher kooperierten hierbei mit Kollegen des Departments für Zoologie der Universität Oxford. Sie konfrontierten sechs Keas und fünf Neukaledonische Krähen mit einer so genannten „Multi Access Box“, einem viereckigen Plexiglaswürfel. Jede Seitenwand ermöglichte den Tieren einen anderen Zugang zu einer Belohnung, die im Inneren auf einer Plattform lag.
„Die Tiere konnten an einer Schnur ziehen, die um die Belohnung gewickelt ist, ein Fenster mit einem hakenförmigen Hebel öffnen, eine Murmel in eine gebogene Kugelbahn werfen, welche dann die Belohnung von ihrer Plattform wirft, oder einen Stab in ein Loch schieben und damit die Belohnung von der Plattform stoßen“, erklärt Alice Auersperg, Erstautorin der neuen Studie.
Dabei konnten die Tiere selbst wählen, welche Aufgaben sie zuerst ausprobieren wollten. „Nachdem sie eine Lösung gefunden und diese mehrmals erfolgreich angewendet hatten, haben wir diesen Zugang blockiert. Das sollte uns helfen herauszufinden, wie schnell sie eine Strategie wechseln konnten und eine neue Lösung finden würden“, sagt Co-Autor Gyula Gajdon vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien.
„Kermit“ und „Uek“ mit Spitzenleistungen
Nur ein Tier jeder Art, der Kea „Kermit“ und die Krähe „Uek“, lösten den Wissenschaftlern zufolge alle vier Aufgaben. Die schwierigste Lösung für die Keas war der Gebrauch des Stabes als Werkzeug. Dies ist jedoch nicht überraschend, da sie in der Natur keine Werkzeuge verwenden. Zudem haben sie mit ihrem krummen Schnabel Mühe, ein längliches Werkzeug als Verlängerung des Schnabels einzusetzen. „Umso beeindruckender ist, dass es ‚Kermit‘ gelang, dieses Handicap zu überwinden. Seine Strategien legen den Eindruck zielgerichteten Verhaltens nahe“, konstatiert Huber.
Die größte Herausforderung für die Krähen war, so die Forscher, das Fenster zu öffnen, indem sie einen Haken ziehen. Im Alltag benutzen sie oft Werkzeuge, um gefährlich aussehende Gegenstände aus sicherer Distanz zu untersuchen; die direkte Berührung und das Ziehen von neuen Objekten sind ihnen daher unheimlich.
„Nachdem Uek das Fenster erfolgreich geöffnet hatte, holte sie sich die Belohnung aus sicherem Abstand mithilfe des Stabes, statt ihren Kopf direkt durch das Fenster in die Box zu stecken, wie es die Keas getan hatten“, erklärt Auersperg.
Mit dem Werkzeug zielen
Im Rahmen der in Biology Letters veröffentlichten Studie der Universität Wien lernten Keas, wie sie ein längliches Stöckchen benutzen, um an eine Belohnung zu kommen, die alleine mit dem Schnabel unerreichbar ist. Im Weiteren erfassten sie, mit dem Werkzeug in eine bestimmte Richtung zu zielen. „Dies ist besonders bemerkenswert, da Keas als Höhlenbrüter beim Nestbau keine Stöckchen verwenden und daher vermutlich keine Prädisposition für Gebrauch von derartigem Material als Werkzeug haben“, so Gajdon.
Evolution von Intelligenz
Die Forscher erhoffen sich von den Ergebnissen mehr Einsicht in die Evolution von Intelligenz. Anstatt wie früher nur zu zeigen, zu welchen besonderen Leistungen bestimmte Tierarten imstande sind, liegt der Fokus der Kognitionsforschung heute darauf herauszufinden, auf welchen Grundlagen diese Leistungen beruhen. (PLoS ONE, 2011; doi: 10.1371/journal.pone.0020231)
(Universität Wien, 14.06.2011 – DLO)