Glänzende Präzision: Muscheln produzieren Perlen, die nicht nur schön, sondern auch äußerst widerstandsfähig und ebenmäßig geformt sind. Eine Studie zeigt nun, wie die Nanostrukturen der Schmuckstücke aufgebaut sind und wie sie über tausende Schichten hinweg ihre Symmetrie beibehalten. Eine neue Perlmuttschicht gleicht demnach immer die Ungenauigkeiten der vorherigen Lage aus. Die Schichten folgen dabei einem bestimmten mathematischen Muster.
Schon seit Jahrhunderten werden Perlen bewundert und als Schmuckstücke gehandelt. Sie faszinieren durch ihren schönen Glanz und ihre oftmals perfekte, runde Form. Neben Schmuckliebhabern werden aber auch manche Wissenschaftler von den besonderen Kugeln angezogen. Besonders die enorme Widerstandsfähigkeit und die präzisen Formen stehen dabei im Fokus der Forschung.
Grundsätzlich bestehen Perlen aus tausenden Perlmuttschichten, die jeweils circa zehn bis 20 Nanometer dick sind. Die Stabilität und die Form der Perle hängen demensprechend von dem Zusammenspiel der verschiedenen Lagen ab – ähnlich wie bei einem aus Backsteinlagen aufgebauten Gebäude. Während Backsteine allerdings eine feste Höhe haben, variiert die Dicke der einzelnen Perlmuttschichten.
Studie untersucht mittelfristige Ordnung
„Wir können noch viel lernen, wenn wir uns anschauen, wie Perlen sich von dieser Unordnung zu einer erstaunlich symmetrischen Struktur entwickeln“, sagt Seniorautor Robert Hovden von der University of Michigan. Er und sein Team haben den Aufbau der Perlen nun auf Nanoebene genauer unter die Lupe – beziehungsweise das Elektronenmikroskop – genommen.
Dazu untersuchten die Forscher sogenannte Keshiperlen, die von australischen Akoya-Austern produziert wurden. Sie sind rund 50 Millimeter groß und haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu gezüchteten Perlen einen natürlichen Kern besitzen, wodurch die Forscher auch den Aufbau der innersten Schichten analysieren konnten.
Im Fokus der Untersuchung lag die mittelfristige Ordnung der einzelnen Schichten. Die Wissenschaftler maßen wie dick das Perlmutt ist, bevor eine neue Lage beginnt und suchten nach einem wiederkehrenden Muster oder einer übergeordneten Struktur. „Während sich andere Arbeiten auf die atomare Struktur der einzelnen Platten bezogen haben, wollten wir die Anordnung auf der nächst größeren Skala untersuchen“, so das Forscherteam.
Schichten korrigieren sich gegenseitig
Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass es zwar keine übergeordnete Regelmäßigkeit gibt, die Muschel allerdings über eine Distanz von rund 20 Perlmuttschichten dennoch eine Symmetrie aufrecht erhält. Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass einzelne Ausreißer durch nachfolgende Schichten ausgeglichen werden. Wenn eine Lage eine Beule aufweist, ist die nachfolgende an dieser Stelle dünner.
„Es gibt eine Interaktion zwischen den einzelnen Schichten und wir glauben, dass sich das System dadurch langfristig selbst korrigieren kann“, sagt Hovden. Das Perlmutt der Perle ist demnach weniger geordnet als ein echter Kristall, der auf allen Ebenenen eine Regelmäßigkeit und Ordnung aufweist. Andererseits ist die Perle geordneter als die meisten Parakristalle. Sie liegt demnach in einem Zwischenbereich von beiden.
Mathematische Gesetzmäßigkeit
Interessant auch: Das Wachstum und die Dicke der Perlmuttschichten folgen in der Perle einem mathematischen Phänomen, wie die Wissenschaftler herausfanden. Dieses sogenannte „1/f-Rauschen“ tritt unter anderem auch bei seismischen Aktivitäten und elektrisch erzeugter Musik auf . Bei diesem Phänomen zeigen scheinbar unabhängige Ereignisse auf einer größeren Skala einen Zusammenhang.
„Wir können es nicht vorhersagen, sehen aber eine gewisse Struktur im Chaos. Innerhalb dieser finden komplexe Mechanismen statt, die es der Perle erlauben, tausende Perlmuttschichten zu einer präzisen Ordnung zusammenzuführen“, erklärt Hovden. Die Regelmäßigkeit hängt laut den Forschern wahrscheinlich mit wiederkehrenden Umwelteinflüssen wie dem Mondzyklus oder den Jahreszeiten zusammen.
Schichten werden mit der Zeit präziser
Den Wissenschaftlern fiel außerdem auf, dass die Perlmuttlagen der Perle im Laufe der Zeit immer homogener werden. Während die Schichten im Zentrum der Perle, also die ersten 100 bis 200 Lagen, in ihrer Dicke noch stark variieren, sind die späteren nahezu konstant dick und außerdem rund 30 Prozent dünner.
Die Forschungsergebnisse sollen dabei helfen, neue Materialien nach dem Vorbild der Muscheln zu entwickeln. „Wir Menschen können mit all unserer Technologie noch nichts herstellen, das eine so komplexe Nano-Architektur besitzt wie eine Perle“, sagt Hovden. „Wir müssen also noch eine Menge von den Weichtieren lernen, damit wir in Zukunft noch stärkere und leichtere Materialien entwerfen können.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; https://doi.org/10.1073/pnas.2107477118)
Quelle: University of Michigan