Biologie

Pferde sind echte Ausbruchskünstler

Vierbeiner können selbst Türen mit Karabinern und Schlüsseln öffnen – ohne Training

Pferd
Pferde sind erstaunlich geschickt im Öffnen von Toren und Türen – selbst Karabiner und Schlüssel bewältigen einige von ihnen. © welcomia/ iStock.com

Schlossknacker auf vier Beinen: Pferde sind erstaunlich findig, wenn es um das Öffnen von Türen, Riegeln oder sogar Schlössern geht. Viele von ihnen öffnen ohne Training oder Abgucken verschlossene Tore durch Bewegungen mit Kopf und Maul. Am häufigsten ist dies bei einfachen Riegeln der Fall, aber überraschend viele Pferde können sogar Karabiner öffnen oder Schlüssel im Schoss drehen – Aktionen, die komplexe Bewegungsabläufe erfordern.

Immer wieder gibt es anekdotische Berichte von Hunden oder Katzen, die geschlossene Türen öffnen können. Meist nutzen sie dafür eine geschickte Kombination von Pfoten und Maul, um Klinken oder Riegel zu manipulieren. Und auch einige Vogelarten sind dafür bekannt, dass sie selbst komplexe Schlösser knacken können.

Pferde Tür
Boxentüren mit einfachen Riegeln sind für viele Pferde offenbar keine Hürde. © Rainstar/ iStock.com

Wie gut sind Pferde beim „Schlossknacken“?

Doch wie sieht es mit den Pferden aus? Sie sind immerhin sehr lernfähige und soziale Tiere, die mit uns kommunizieren und sogar Symbole lernen können. Schon wegen ihrer Hufe galten sie bisher nicht unbedingt als gewiefte Schlossknacker. Dennoch gibt es auch bei den beliebten Reittieren immer wieder Berichte über „Ausreißer“. Was an diesen Anekdoten dran ist und wie gut Pferde tatsächlich geschlossene Tore und Türen öffnen können, haben nun Konstanze Krüger von der Universität Regensburg und ihre Kollegen untersucht.

Für ihre Studie nutzten sie die Möglichkeit des „Crowdsourcing“ und baten Pferdebesitzer im Internet, ihnen Fälle von Toröffnungen durch ihre Vierbeiner zu schildern. Über einen Fragebogen ermittelten die Forscher dabei gezielt, welche Schließmechanismen die Pferde bewältigten und mit welcher Technik dies gelang. Zusätzlich werteten sie 77 YouTube-Videos aus, die Pferde beim „Ausbrechen“ zeigten.

Überraschend vielseitig und geschickt

Das Ergebnis: Die Wissenschaftler stießen auf überraschend viele Fälle von „schlossknackenden“ Pferden. Knapp 520 Pferde hatten sich beigebracht, einfache Koppeltore oder Stalltüren aufzumachen, knapp 50 schoben auch Schiebetüren auf. „Die meisten Pferde öffneten Toren mit einfachen Angeln, mit quergelegten Balken oder Griffen – Mechanismen, die durch wenige Kopfbewegungen in eine Richtung geöffnet werden konnte“, berichten Krüger und ihr Team.

Doch es gibt auch weitaus findigere „Ausbruchskünstler“: „Eine beindruckende Zahl von Pferden bewältigt auch kompliziertere Mechanismen, die bestimmte Handlungsabfolgen und Bewegungen in mehr als eine Richtung erforderten“, berichten die Forscher. So öffneten 40 Pferde Karabinerhaken, 43 öffneten Türen mit Drehverschlüssen und zwei Pferde drehten sogar Schlüssel an Türen und Vorhängeschlössern.

Komplexe Manipulation

Für diese Arten des Schlossknackens müssen die Pferde bis zu zehn Aktionen in der richtigen Abfolge hintereinander durchführen. Bei Karabinern und Schlüsseln gilt es zudem, die Objekte auch feinfühlig mit dem Maul packen und manipulieren. Ebenfalls einen erhöhten Schwierigkeitsgrad stellen die Tore von Elektrozäunen dar: Meist ist dabei nur ein kleiner Griff nicht geladen, die Pferde müssen daher sehr präzise agieren, um keinen Stromschlag zu bekommen.

Einige Pferde haben sich sogar zu echten Spezialisten entwickelt: Sie haben nicht nur gelernt, eine bestimmte Tür zu öffnen, sondern bewältigen ganz verschiedene Tortypen und Schließmechanismen, wie die Studie ergab. „Diese Pferden haben offenbar das Konzept der verschlossenen Tür verstanden und generalisiert“, sagen Krüger und ihre Kollegen. Sie benötigen zudem weniger Kopfbewegungen und Schritte, um die Schlösser zu öffnen.“ Mit anderen Worten: Die erfahrenen Schlossknacker hatten die effizientere Technik.

Vom Menschen abgeschaut?

Doch wie haben die Pferde diese Techniken gelernt? Wie die Studie ergab, hatten sich die Vierbeiner dies nur in seltenen Fällen von Artgenossen abgeschaut. Auch vom Menschen trainiert worden war keines der Pferde. Die Forscher vermuten, dass die Tiere sich ihre Fertigkeiten entweder durch Versuch und Irrtum selbst angeeignet haben. Oder sie haben das Türöffnen beim Menschen abgeschaut.

„Wenn das der Fall war, dann müssen die Pferde aber sehr innovativ gewesen sein“, sagen Krüger und ihre Kollegen. Denn der Mensch nutzt seine Hände und damit ganz andere Körperteile und Techniken, um die Schlösser zu öffnen. Das Pferd muss daher eine erhebliche Transferleistung vollbringen, um diese Techniken in einen mit Kopf und Maul machbaren Ablauf zu „übersetzen“.

„Keine Grenze ersichtlich“

Insgesamt gilt: „Die Spannbreite der Schließmechanismen, die Pferde öffnen können, umfasst nahezu alle gängigen Typen“, konstatieren die Forscher. „Wir haben keine offensichtliche Grenze der Komplexität gefunden, die Pferde meistern lernen können.“ (PLOS ONE, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0218954)

Quelle: Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

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