Überraschende Entdeckung: Pflanzen können untereinander Erbgut und ganze Chloroplasten austauschen – einfach durch direkten Zellkontakt, wie Beobachtungen enthüllen. Bei diesem horizontalen Gentransfer bilden sich Poren in den angrenzenden Zellwänden, durch die die Chloroplasten samt ihrer Genfracht hindurchwandern. Dafür nehmen sie eigens eine besonders schmale, amöbenähnliche Form an, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“, berichten.
Normalerweise geben Pflanzen ihr Erbgut über Samen oder vegetative Ausläufer an ihre Nachkommen weiter. Doch es gibt noch einen anderen Weg, zwischen verschiedenen Pflanzenindividuen und sogar Pflanzenarten Gene auszutauschen: den horizontalen Gentransfer. Dieser kann stattfinden, wenn zwei Pflanzen miteinander verwachsen oder wenn der Mensch eine Pfropfung durchführt – er setzt dabei einen Zweig einer Sorte in eine Kerbe im Stamm der zweiten. Als Folge eines solchen Genaustauschs können neue Sorten oder sogar Pflanzenarten entstehen.

Wie wird die DNA übertragen?
Doch wie läuft dieser horizontale Gentransfer bei Blütenpflanzen ab? „Bisher war völlig unbekannt, wie das Erbgut physikalisch von Zelle zu Zelle gelangt: Ob es dabei als freie DNA-Moleküle oder eingekapselt in Zellorganellen ausgetauscht wird“, erklären Alexander Hertle und seine Kollegen vom Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. Deshalb haben sie dies nun bei Pfropfungsexperimenten mit Tabakpflanzen untersucht.
Für ihre Studie schleusten die Forscher verschiedene Fluoreszenzgene in die DNA der Tabakpflanzen ein. Deren farbiges Leuchten ermöglichte es ihnen, die DNA-haltigen Zellkerne, die Mitochondrien und Chloroplasten zu orten – bei Pflanzen enthalten alle drei Zellorganellen eigene DNA-Anteile. Mithilfe verschiedener Mikroskopieverfahren beobachteten Hertle und sein Team dann, was sich an der Pfropfungsstelle auf zellulärer Ebene tat.