Wer ist effektiver bei der Nutzung der Sonnenenergie: Pflanzen mit ihrer Photosynthese oder die Photovoltaik? Die verblüffende Antwort gibt eine jetzt in „Science“ erschienene Studie: Weil Pflanzen aus Selbstschutz ihre Energieausbeute schnell drosseln, liegt die Photovoltaik vorne. Die Wissenschaftler demonstrieren aber auch diverse Möglichkeiten, sowohl die Photosynthese als auch die Photovoltaik zu optimieren.
Pflanzen gelten gemeinhin als effektive „Lichtwandler“: Über die Photosynthese wandeln sie die Energie des Sonnenlichts in chemische Energie in Form von Zuckern und komplexen organischen Verbindungen um. Kernschritt dabei ist die Freisetzung von Elektronen aus Wasser und ihre Übertragung auf Kohlendioxid. Auch die Photovoltaik setzt Elektronen frei, baut diese jedoch nicht wieder ein, sondern nutzt sie direkt als Strom. Damit erzeugen beide Prozesse zwar Energie aus Sonnenlicht, aber auf deutlich unterschiedlichen Wegen. Genau dies macht es schwer, sie zu vergleichen.
Photochemische Elektrolyse und Photosynthese verglichen
Ein interdisziplinäres Team von amerikanischen Forschern hat dies jetzt trotzdem versucht – mit überraschenden Ergebnissen. „Es zeigte sich, dass wir eine Menge wussten, aber unser Wissen existierte in zwei unterschiedlichen Universen“, erklärt Robert Blankenship von der Washington Universität in St. Louis und einer der Initiatoren des Projekts. Als erste Hürde erwies sich die Definition von Effektivität bei beiden Formen der Sonnenlicht-Nutzung. Denn während die Pflanzen die Sonnenenergie in handliche Treibstoffpakete in Form von organischen Molekülen umwandeln, absolviert die normale Photovoltaik bloß den ersten Schritt, die Konvertierung der Energie zu angeregten Elektronen.
Genau deshalb betrachteten die Forscher als Vergleichsprozess nicht die Photovoltaik pur, sondern die Kombination von Solarzelle mit der Elektrolyse, dem Prozess, der mittels Elektrizität Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Die dabei benötigte Energie ist im Prinzip die Gleiche die auch die Pflanze für die Produktion der organischen Moleküle benötigt.
Photovoltaik effektiver als Photosynthese
Das Ergebnis dieses Vergleichs widerspricht den gängigen Vorstellungen diametral: Während die durchschnittliche Effizienz der photovoltaisch betriebenen Elektrolyse bei rund zehn Prozent liegt, schneiden die Pflanzen noch schlechter ab. Nur rund ein Prozent, maximal zwei bis vier Prozent der Sonnenenergie wandelt die Photosynthese in chemische Energie um.
„Ich habe eine Folie mit dem Foto eines Maisfelds und eines großen Arrays von Solarzellen. Wenn ich Vorträge halte, frage ich das Publikum oft, welcher der beiden effizienter ist“, erklärt Blankenship. „Ausnahmslos entscheidet sich das Publikum mit großer Mehrheit für die Photosynthese.” Doch genau dies ist offensichtlich ein Irrtum, wie die Studie jetzt belegt.
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Pflanzen: Sättigung als Selbstschutz
Der Grund für die geringere Effizienz der pflanzlichen Photosynthese ist Selbstschutz: Zuständig für die Umwandlung des Lichts sind spezialisierte Pigmente, die die Energie auffangen und zu Reaktionszentren transportieren, wo sie chemisch umgewandelt wird. Bei voller Sonne jedoch ist die Kapazität dieses Apparats schnell ausgeschöpft, die überschüssige Energie würde nun unerwünschte Prozesse anstoßen. Damit dabei keine giftigen Nebenprodukte entstehen, die die Pflanze schädigen oder sogar töten könnten, muss sie in voll besonnten Blättern bis zu 80 Prozent der absorbierten Energie ungenutzt wieder abgeben.
„Wenn man sich ein Diagramm der Lichtintensität gegenüber der Energieproduktion anschaut, ist die Linie der Photovoltaik komplett linear. Wenn man doppelt so viel Licht hineingibt, bekommt man auch doppelt so viel Energie heraus“, so Blankenship. „Das Photosynthese-System aber beginnt zwar linear, biegt dann aber schnell ab und erreicht eine Sättigung. Dadurch ändert sich die Effizienz der Pflanzen während des Tages: Sie beginnen mit einer hohen Effizienz am Morgen, aber bis mittags sind sie gesättigt und verwerfen einen Großteil der Energie.“
„Der Effizienzvorteil geht in diesem Kontext klar an die Photovoltaik. Aber ebenso klar ist die Tatsache, dass wir beide für eine nachhaltige Energieumwandlung der Zukunft nutzen müssen“, so die Forscher in „Science“. Die Wissenschaftler schlagen mehrere Möglichkeiten vor, wie jeweils die Vorteile des einen Systems für die Optimierung des anderen genutzt werden könnten.
Optimierungsmöglichkeiten bei beiden Systemen
Arthur J. Nozik vom National Renewable Energy Laboratory (NREL) und seine Kollegen gehen beispielsweise davon aus, dass die Nutzung unterschiedlicher Lichtwellenbereiche nebeneinander der Photovoltaik eine Effizienz von bis zu 40 Prozent verleihen könnten. Dafür müssten verschiedene Halbleiter und/oder spezielle photoaktive organische Moleküle gleichzeitig in einer Zelle eingesetzt werden. „In der Photovoltaik wissen wir, dass die Umwandlung verbessert werden kann, wenn man verschiedene Bandlücken – Farben – in einer Tandem-Anordnung nutzt“, erklärt Nozik. „Dann können sie die verschiedenen Bereiche des solaren Spektrums effizienter nutzen.“
Aber auch bei der Photosynthese sehen die Forscher zukünftig Optimierungsmöglichkeiten, beispielsweise durch die synthetische Biologie, bei der maßgeschneiderte Pflanzen quasi von Grund auf neu „gebaut“ werden. So könnten pflanzliche „Lichtsammler“ entwickelt werden, die ebenfalls optimierte Bandlücken und optimierte Pigmenten enthalten. Ein Vorschlag beinhaltet die Integration von Pigmente aus Blaualgen in Landpflanzen. Da die Algen einen anderen Lichtwellenbereich ausnutzen, ließe sich damit quasi eine „Tandem-Photosynthese“ erreichen.
Noch ist dies Zukunftsmusik, doch mit der Identifizierung der Effizienzblockaden bei Photovoltaik und Photosynthese haben die Forscher jetzt zumindest die Tür aufgestoßen zu weiteren, vertiefenden Forschungen an Möglichkeiten der effektiveren Ausnutzung der Sonnenenergie – immerhin der nachhaltigsten Energieform, die es auf der Erde gibt. (Science, 2011; DOI: 10.1126/science.1200165)
(Science, University of Arizona, DOE/NREL, 13.05.2011 – NPO)