Schlechte Nachrichten für Pollenallergiker: Vielerorts steigt die Pollenbelastung schon an, bevor die Pflanzen zu blühen beginnen. Ursache dafür sind Windströmungen, die den leichten Blütenstaub aus hunderten Kilometer Entfernung zu uns wehen können. In Bayern beginnt dadurch die Pollensaison für einige Frühblüher wie Hasel und Birke bis zu 20 Tage früher, wie Forscher berichten. Klassische Pollenkalender erfassen dies bislang oft nicht.
Mit dem Frühling beginnt für Millionen Heuschnupfengeplagte die Leidenszeit. Denn bei ihnen lösen die Blütenpollen von Bäumen, Kräutern und Gräsern eine allergische Reaktion aus, die die Schleimhäute anschwellen lässt und die Nase verstopft. Und die Belastung nimmt zu: Weil Pflanzen durch die Klimaerwärmung immer früher blühen, verlängert sich auch die Pollensaison. Gleichzeitig produzieren viele Pflanzen bei erhöhten CO2-Werten mehr Pollen, dazu kommt die Ausbreitung gebietsfremder Arten mit hochallergenen Pollen wie der Beifuß-Ambrosie.
Pollenflug im Visier
Einen weiteren Faktor, der zur Pollenbelastung beiträgt, haben nun Annette Menzel und ihre Kollegen von der Technischen Universität München identifiziert. Für ihre Studie hatten sie die Daten von sechs bayrischen Pollenmessstellen aus der Zeit von 1987 bis 2017 ausgewertet. Dabei ermittelten sie den Beginn des Pollenflugs für sieben häufig allergieauslösende Pollen – Erle, Hasel, Birke, Beifuß, Esche, Kiefer und Gräser – und glichen diesen mit dem Beginn der örtlichen Blühperiode ab.
Das Ergebnis: Wie erwartet beginnen vor allem Frühblüher wie Hasel und Erle heute früher mit der Pollenproduktion als noch vor gut 30 Jahren. Im Schnitt hat sich ihr Blühbeginn in Bayern um zwei Tage nach vorn verschoben, bei Birke, Esche und Kiefer sind es rund 0,5 Tage. Wenig verändert haben sich dagegen die Blütezeiten der normalerweise eher später im Frühjahr blühenden Gräser- und Beifußarten.
Über hunderte Kilometer herangeweht
Das Überraschende jedoch: Die Pollenmesswerte stiegen schon deutlich vor dem lokalen Blühbeginn der entsprechenden Pflanzen an. Bei Hasel und Birke registrierten einige Messstationen schon elf Tage vorher einen Anstieg der Pollenbelastung, bei Erle und Esche waren es sogar 16 und 19 Tage. Konkret bedeutet dies: In vielen Gebieten beginnt die Pollensaison schon zwei bis drei Wochen vor der im Pollenkalender angegeben Blütezeit.
Doch wo kommt dieser Pollen her? Wie die Forscher mithilfe eines Modells ermittelten, muss dieser Blütenstaub mit dem Wind aus weiter entfernt gelegenen Gebieten hergeweht sein – aus Gebieten, in denen die Blüte dieser Pflanzen schon früher eingesetzt hat. „Pollen ist dazu gedacht, zu fliegen“, sagt Menzel. Vor allem die kleinen leichten Pollensorten können mit den Luftströmungen über hunderte Kilometer transportiert werden.
Belastung verstärkt sich
Dieser bislang unterschätzte Ferntransport von Pollen kann gerade im frühen Frühjahr für rund die Hälfte der Pollenbelastung verantwortlich sein, wie die Forscher berichten. „Wir waren überrascht, dass der vorsaisonale Pollentransport ein so verbreitetes Phänomen ist“, sagt Menzel. Aber auch während der klassischen Pollensaison spielt der „importierte“ Pollen eine Rolle: Er erhöht die lokale Belastung zusätzlich, wie die Messungen ergaben.
Für Pollenallergiker und die Pollenvorhersage bedeutet dies, dass künftig nicht nur die lokale Blütezeit der pollenproduzierenden Pflanzen berücksichtigt werden muss, sondern auch der schon vorher einsetzende Pollentransport mit dem Wind. Dadurch verlängert sich die Pollensaison zusätzlich. Zudem kann der Ferntransport dazu führen, dass vermehrt Pollen nichtheimischer Pflanzen eingeweht wird – das könnte weitere Allergien auslösen.
Und auch das Klima spielt eine Rolle: „Künftige Studien sollten prüfen, ob die vom Klimawandel geförderten längeren Trockenperioden im Frühjahr den Ferntransport von Pollen begünstigen“, schreiben Menzel und ihr Team. Auch die Rolle von Landnutzungsveränderungen müsse in diesem Zusammenhang untersucht werden. (Frontiers in Allergy, 2021; doi: 10.3389/falgy.2021.627863)
Quelle: Frontiers