Ein primitiver Verwandter der Quallen könnte das erste Tier mit einem Sehsinn gewesen sein. Amerikanische Forscher entdeckten erstmals licht-rezeptive Gene bei Hydra, einer Polypenform. Damit gelang ihnen ein wichtiger Schritt zur Aufklärung der Evolution der Sehfähigkeit.
Wann entwickelte das erste Tier einen Sehsinn und erlangte damit die Fähigkeit, Licht und Dunkel zu unterscheiden? Zumindest für Mehrzeller war diese Frage bisher nicht eindeutig beantwortet. Jetzt haben Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Santa Barbara einen bedeutenden Einblick in die frühe Evolution dieser Wahrnehmungsform erhalten. Als Untersuchungsobjekt diente den Wissenschaftlern Hydra, ein zu den Nesseltieren gehörender Süßwasserpolyp und ein Verwandter von Korallen, Seeanemonen und Quallen. Hydren sind häufige Bewohner von Tümpeln, Seen und Flüssen.
Erste Sehgene identifiziert
Die Forscher durchsuchten das Genom dieser schon seit hunderten von Millionen Jahren existierenden Tiergruppe und identifizierten dabei licht-empfindliche Gene. Ihre Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „PLoS ONE” veröffentlicht. „Wir sind nicht nur die ersten, die diese Sehgene (Opsine) bei diesen frühen Tieren analysieren, wir können nun auch die erste Entwicklung der Lichtsensitivität bei Tieren datieren“, erklärt David C. Plachetzki, Hauptautor der Studie. „Denn bei Tieren einer früheren Entwicklungsstufe, den Schwämmen, gibt es sie noch nicht. Jetzt haben wir ein Zeitfenster für die Evolution des tierischen Sehsinns. Wir wissen, dass seine ersten Vorstufen schon vor rund 600 Millionen Jahren existierten.“
Bestätigung auch für Evolutionstheorie
Doch das Ergebnis ist auch für die Evolutionsforschung insgesamt bedeutsam. Denn bisher gibt es nur eine handvoll von Beispielen, bei denen Wissenschaftler die sehr spezifischen Mutationen dingfest machen konnten, die zur Entwicklung neuer Fähigkeiten und Strukturen in der Evolution geführt haben. Nach Ansicht von Todd H. Oakley, Assistenz-Professor für Biologie an der Universität von Kalifornien, argumentieren Evolutionsgegner häufig, dass Mutationen negativ wirken, indem sie Funktionen blockieren oder deaktivieren, aber nicht selbst neue Eigenschaften entstehen lassen können.
„Unsere Studie zeigt, dass solche Ansichten schlicht falsch sind“, so der Forscher. „Wir zeigen sehr deutlich, dass spezifische Mutationen in einem bestimmten Gen, dem Opsin, es ermöglichen, dass die neuen Gene mit unterschiedlichen Proteinen auf neue Weise interagieren. Heute, bilden diese unterschiedlichen Reaktionen die Basis des Sehsinns.“
Die von den Opsin-Genen erzeugten Proteine kommen zwar im gesamten Körper der Polypen vor, konzentrieren sich aber vor allem in der Mundregion der Tiere. Obwohl sie noch keinerlei Organe für das Sehen besitzen, existieren bei ihnen schon die genetischen und physiologischen Stoffwechselwege, die später die Basis auch unseres Sehsinns bilden sollten. Hydras leben räuberisch und die Forscher spekulieren daher, dass sie möglicherweise ihre primitive Lichtempfindlichkeit bereits dafür einsetzten, um besser Beute finden zu können.
(University of California – Santa Barbara, 17.10.2007 – NPO)