Unser Ohr wandelt Schallwellen in elektrische Signale um und macht damit das Hören erst möglich. Den entscheidenden „Übersetzer” im Ohr haben Wissenschaftler jetzt gefunden: Forscher der amerikanischen Harvard Universität haben tief im Innenohr ein Protein ausfindig gemacht und identifiziert, das wahrscheinlich die Schallwellen in für das Gehirn dekodierbare Nervenimpulse übersetzt.
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Das jetzt neu entdeckte Protein, TRPA1, befindet sich an den Spitzen von spezialisierten Cilien auf den Haarzellen des Innenohres. Dort bildet es Poren, die sich synchron zu den eintreffenden Schallwellen öffnen und schließen. Diese ermöglichen damit den Einstrom von Ionen in die Zellen und transformieren so die Vibrationen in elektrische Signale. Der gleiche Proteinkanal könnte auch die Unterscheidung der Töne in unterschiedlichen Frequenzen erlauben.
Die TRP-Proteine gehören zu einer neuen, für die Sinneswahrnehmung wichtigen Gruppe von Ionenkanälen. Unterschiedliche TRP-Proteine sind beispielsweise in das Sehen und Hören bei Insekten oder das Schmecken und fühlen von Hitze und Pheromonen bei Säugetieren involviert.
Eine kleine Untergruppe dieser Eiweiße verhilft den Fruchtfliegen zum Tastsinn und den Fischen zum Gehör.
„Seit Jahrzehnten sucht man nach diesem Protein“, erklärt David Corey, Professor für Neurobiologie und Forscher am Howard Hughes Medical Institute. Andere Proteinkandidaten waren zwar ebenfalls „nominiert“, aber dies sei „der bisher stärkste Beweis, dass dieses Protein der Haarzellen-Transduktionskanal ist.“ Die Wissenschaftler stellen ihre Ergebnisse jetzt in einer Online-Ausgabe des Magazins Nature vor.
RNA-Sonden, Genmanipulation und Fluoreszenz verraten Protein
Zu Beginn ihrer Studie analysierten Corey und seine Kollegen systematisch alle TRP Kanäle von Mäusen mithilfe von RNA-Sonden, um die auf den Haarzellen der Cochlea sitzenden zu identifizieren. Dabei kristallisierte sich bereits TRPA1 als der vielversprechendste Kandidat heraus. Doch weitere Tests waren notwendig. An Zebrafischen blockierten die Forscher gezielt die Produktion dieses Proteins und stellten daraufhin fest, dass die Haarzellen der Fische tatsächlich keine elektrischen Signale mehr aussenden konnten, wenn sie durch Schallwellen in Vibration gerieten. Ein fluoreszierender Marker enthüllte zudem, dass dabei keine Ionenbewegung durch Kanäle stattfand.
In einer dritten Gruppe von Experimenten blockierten die Forscher gemeinsam mit Kollegen von der Universität von Virginia den TRPA1-Kanal in den Haarzellen von Mäuseembryos und maßen die elektrische Aktivität in den so veränderten Haarzellen. Sie registrierten nahezu keine Signale, auch die Färbetests wiesen auf fehlende Ionenaufnahme der Zellen hin.
Neue Einblicke in Hören und Schwerhörigkeit
Die Entdeckung könnte Wissenschaftlern helfen, sowohl das normale Hören als auch die erblichen Formen der Schwerhörigkeit zu erforschen, die typischerweise andere Proteinstücke desselben akustischen Apparats beinhalten. „Dies ist das wichtigste Molekül im Ohr“, sagt Peter Gillespie, Neurologe an der Oregon Health & Science University, der kürzlich entscheidende Verbindungsteile zu beiden Seiten des Kanals identifiziert hatte. „Dieser Kanal ist ein Juwel, das jeder gerne gefunden hätte. Es zu identifizieren heißt, zum Kern der Arbeitsweise des Innenohres vorzudringen.“
Auch wenn die Identifikation noch weiterer Bestätigung bedarf, gilt damit TRPA1 als der beste Kandidat für das lang gesuchte Kanal-Protein. Die Auswirkungen für die Hörforschung sind weit reichend. „Andere Proteinkomponenten des Transduktionsapparats verursachen erbliche Schwerhörigkeit und Blindheit, wenn sie mutieren“, erklärt Corey. „Obwohl es im Moment keinen Beweis dafür gibt, könnte das gleiche auch für TRPA1 gelten. Die Identifikation des Transduktionskanals wird die Suche nach den noch ausstehenden Proteinteilen beschleunigen.“
(Harvard Medical School, 15.10.2004 – NPO)