Der Farbstoff Purpur war bereits in der Antike hochbegehrt und wurde aus den natürlichen Beständen der Purpurschnecke gewonnen. Nun konnten Wissenschaftler anhand massiver Ablagerungen zerkleinerter Schnecken nachweisen, dass diese schon in spätrömischer Zeit ausgebeutet wurden. Denn das geringe Todesalter lässt auf eine Überbeanspruchung der natürlichen Schneckenbestände schließen – möglicherweise haben sich die Farbproduzenten dadurch selbst ihrer Ressourcen beraubt.
In Andriake, der alten Hafenstadt von Myra in der Türkei, wurden im Sommer 2003 auffällig viele Schalenbruchstücke von Purpurschnecken gefunden, was die Vermutung nahelegte, dass sich dort eine Produktionsstätte von Purpurfarbe befunden hat. Wissenschaftler von der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VUW) sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften näher untersucht und berichten nun im Journal for Archaeology über ihre überraschenden Ergebnisse.
Reste von 60 Millionen Schnecken
Andriake ist demnach etwa im 6. Jahrhundert nach Christus ein wichtiger Purpurproduktionsort gewesen. Die Vermessungen vor Ort lassen auf Schalenablagerungen im Umfang von 300 Kubikmetern schließen. Wenn man dies anhand der gefundenen Schalenfragmente auf einzelne Individuen hochrechnet, kommt man auf eine fast unglaublich riesige Zahl: „Selbst nach vorsichtigen Schätzungen kommen wir auf etwa 60 Millionen Schnecken, die an dieser Produktionsstätte verarbeitet wurden“, fasst Prof. Gerhard Forstenpointner zusammen. „Diese hohe Zahl an Purpurschneckenfragmenten macht die Fundstätte in Andriake zu einem der bedeutendsten Produktionsorte der Antike.“
Untergang der Produktionsstätte durch Überfischung?
Auffällig an den untersuchten Proben ist auch die Kleinheit und damit das niedrige Alter der verarbeiteten Schnecken. „In den oberen Ablagerungsschichten stammen nur etwa zehn Prozent der gefundenen Fragmente von erwachsenen Schnecken“ erläutern Dr. Alfred Galik und Dr. Gerald Weissengruber. „Das weist darauf hin, dass sich die Altersverteilung innerhalb der intensiv befischten Population verlagerte und die Zahl der Purpurschnecken zurückging. Schließlich erhebt sich auch die Frage, ob die weitergehende Ausbeutung nicht sogar zum Zusammenbruch der Schneckenbestände und somit zum Untergang der Purpurproduktion in beziehungsweise um Andriake geführt hat.“
Luxusgut Purpur
Purpur wird heute kaum noch als Farbstoff eingesetzt, aber es war (und ist) einer der teuersten Farbstoffe der Welt. Er wird aus einer Drüse (daher die Zerkleinerung!) der Meeresschnecken Brandhorn (Murex brandaris), Purpurschnecke (Hexaplex trunculus) und Rotmund-Leistenschnecke (Thais haemastoma) gewonnen, wobei für ein Gramm Farbe tausende von Schnecken verarbeitet werden müssen. Das Tragen purpurfarbener Kleidung war Zeichen hohen Ranges und zeitweilig ausschließlich Senatoren und Caesaren vorbehalten.
(Veterinärmedizinische Universität Wien, 08.05.2007 – AHE)