Exot aus regionalem Anbau: Die als Superfood beliebte Quinoa könnte bald auch auf unseren Feldern wachsen. Denn Forscher arbeiten derzeit daran, die ursprünglich in Südamerika heimische Pflanze fit für die Kultivierung in Deutschland und Europa zu machen. In ersten Anbauversuchen haben sie bereits Kandidaten für eine potenzielle europäische Züchtung identifiziert – ein großflächiger Anbau in Nordeuropa könnte demnach schon in fünf Jahren möglich sein.
Quinoa erfreut sich als sogenanntes Superfood größter Beliebtheit: Die Samen dieser Pflanze sind reich an Proteinen und essentiellen Aminosäuren, enthalten viel Eisen, Zink, Magnesium und Vitamine. Darüber hinaus eignen sie sich sogar für eine glutenfreie Ernährung. Kein Wunder also, dass Quinoa aus Reformhäusern und Naturkostläden längst nicht mehr wegzudenken ist. Der Inkareis belegt im Ranking der meistverkauften Superfoods Deutschlands Platz zwei nach Chiasamen.
Doch so gesund dieses Nahrungsmittel auch sein mag – der Quinoa-Trend ist aus ökologischer Sicht problematisch. Denn wie viele andere Superfood-Exoten auch muss Quinoa von weit her importiert werden und hinterlässt dabei einen nicht unwesentlichen CO2-Fußabdruck: Die ursprüngliche Heimat der Pflanze liegt in Südamerika, wo sie bereits seit Jahrtausenden angebaut wird – vor allem in den Hochebenen der Anden.
Züchtung für Europa
Nazgol Emrani von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ihre Kollegen wollen dieses Problem lösen, indem sie Quinoa fit für den Anbau in Europa machen. „Wir wollen eine Quinoa-Art züchten, die in Europa gedeiht und dabei sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch eine Alternative zu heimischen Kulturpflanzen bietet“, erklärt die Wissenschaftlerin.
In greifbare Nähe gerückt war dieses Ziel im vergangenen Jahr, als Forscher das Quinoa-Genom entschlüsselten. Dadurch können bei der in vielen Varianten vorkommenden Pflanze jetzt züchterisch bedeutsame Gene identifiziert und charakterisiert werden. Zu diesem Zweck zogen Emrani und ihr Team in diesem Jahr erstmals 350 Quinoa-Spezies im Zuchtgarten der Universität auf.
Der richtige Blühzeitpunkt
Für den europäischen Anbau ist den Wissenschaftlern zufolge vor allem die Anpassung an lange Tage und kurze Sommer nötig – und der richtige Blühzeitpunkt. Denn in ihrer tropischen Heimat ist Quinoa an kurze Tage und kaum Schwankungen der Bedingungen im Jahresverlauf gewohnt. „Diese Pflanzen sind nicht geeignet für einen Anbau in Deutschland und Europa“, sagt Mitautor Dilan Sarange.
Spätestens bis Ende September müssen Kulturpflanzen hierzulande zur Ernte bereit sein, sonst wird die Witterung zu unbeständig und es droht ein Ernteverlust. Auf dem Versuchsfeld standen bereits im Juli einige erntereife Pflanzen, andere Arten waren hingegen selbst im September noch weit von der Reife entfernt.
Auch der unterschiedliche Wuchs der Quinoa-Arten ist ein Ausschlusskriterium für den kommerziellen Anbau in Europa: „Möglichst wenige Äste und eine kompakte Blütenrispe sind von Vorteil für eine maschinelle Ernte“, berichtet Sarange.
Vielversprechende Kandidaten
Darüber hinaus wollen die Forscher auch den Nährstoffgehalt der Pflanze optimieren: „Für gesundheitsbewusste Menschen ist vor allem der hohe Nährwert interessant“, sagt Emrani. „Diese für die gemäßigten Breiten vorteilhaften Eigenschaften wollen wir in unserem Projekt durch Kreuzung der optimalen Pflanzen verstärken.“
Einige potenzielle Kandidaten für ihr Unterfangen konnten die Wissenschaftler bei ihrem ersten Feldversuch bereits identifizieren. „Wir haben in unseren Untersuchungen schon Quinoa-Arten gefunden, die an die Tageslängen in Deutschland und Europa angepasst sind und eine kurze Vegetationsphase idealerweise von Mitte April bis Ende August aufweisen“, berichtet Emrani. Die vielversprechendsten Arten sollen nun im kommenden Jahr erneut angebaut und miteinander gekreuzt werden.
Kultivierung schon in fünf Jahren?
Die Forscher glauben, dass bereits in fünf Jahren eine großflächige Kultivierung der Quinoa in Nordeuropa möglich sein wird. Bis sich die Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie auf diese neue Ressource eingestellt haben, wird ihnen zufolge zwar wahrscheinlich noch mehr Zeit vergehen. „Aber wir hoffen, dass das Potenzial der Quinoa möglichst schnell erkannt wird“, schließt Emrani.
(Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 01.10.2018 – DAL)