Biologie

Rätsel der Schmetterlings-Mimikry gelöst

"Supergen" macht Flügelmuster der Heliconius-Falter so variabel

Heliconius numata (oben) und eine von ihm nachgeahmte Schmetterlingsart der Gattung Melinaea im Regenwald von Französisch-Guayana. © Mathieu Chouteau

Forscher haben ein biologisches Rätsel gelöst, über das schon Charles Darwin grübelte: Die Heliconius-Schmetterlinge im Amazonasgebiet tragen ganz unterschiedliche Flügelmuster, obwohl sie alle zu einer Art gehören. Mit ihrer jeweiligen Färbung ahmen die Tiere das Aussehen von anderen, giftigen oder ungenießbaren Schmetterlingsarten nach, die im gleichen Gebiet leben. Wie sie diese Mimikry bewerkstelligen, hat ein europäisches Forscherteam jetzt mittels Genanalysen herausgefunden. Alle genetischen Komponenten der Flügelmuster seien in nur einem einzigen „Supergen“ zusammengefasst, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.

Der im Regenwald des Amazonas vorkommende Heliconius-Schmetterling gilt als ein typisches Beispiel der „Müllerschen Mimikry“. Bei dieser Form der Nachahmung tragen mehrere unterschiedliche Arten das gleiche Warnkleid. Da alle ungenießbar sind, verschonen Fressfeinde meist schon nach dem ersten Geschmackstest alle solcherart gefärbten Tiere. Die Grenzen dieser Mimikry-Ringe verlaufen dabei auch quer durch Schmetterlingsarten. Allein in der jetzt untersuchten Art Heliconius numerata existieren sieben verschiedene Farbvarianten. Alle ahmen jeweils einen anderen Vertreter einer fremden Schmetterlingsfamilie nach. Wie diese verschiedenen Farbvarianten zustande kommen, blieb lange Zeit unklar.

„Erst jetzt besitzen wir die passenden Werkzeuge, um den Grund für diese erstaunliche Transformation zu ergründen: Indem er nur ein Gen ändert, kann der Schmetterling seine Fressfeinde zum Narren halten“, sagt Richard ffrench-Constant von der University of Exeter. Die Forscher hatten festgestellt, dass eine Umsortierung innerhalb des Erbguts die ursprünglich verstreuten Einzelgene auf einem Chromosomenabschnitt gebündelt hatte. Diese Gruppierung sorgt dafür, dass die Farb- und Formenkombinationen auch nur gemeinsam vererbt werden. Innerhalb der lokalen Schmetterlingsgruppen bleibt das Mimikrymuster dadurch immer passend zu den nachgeahmten Arten.

Die Forscher konnten aber auch feststellen, wie die innerartliche Vielfalt der Farbmuster zustande kommt: Sie fanden bei der Art Heliconius numata gleich drei Chromosomenvarianten mit dem Supergen. Wird eine andere Variante ausgelesen, springt wie durch einen Schalter gleich das gesamte Farbmuster auf einen neuen Typ um. „Damit sind die Schmetterlinge die ‚Transformers‘ der Insektenwelt. Aber statt vom Auto in einen Roboter verwandelt bei den Insekten ein einziger genetischer Schalter ein mimetisches Muster in ein anderes“, sagt Studienleiter Mathieu Joron vom Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris.

Das jetzt erstmals nachgewiesene Supergen erleichtert nicht nur die Mimikry der Heliconius-Falter. Die Gruppierung der Gene erkläre auch, warum sich andere Schmetterlingsarten so schnell an Umweltveränderungen anpassen konnten, sagen die Forscher. Ein Beispiel dafür sei der Industriemelanismus des ursprünglich weißlichen Birkenspanners. Im England des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine fast einfarbig dunkelbraune Variante, angepasst an die von Ruß geschwärzten Stämme der Birken. Nach Angaben der Wissenschaftler war auch daran wahrscheinlich ein Supergen beteiligt. (Nature, 2011; DOI:10.1038/nature10341)

(nature, 15.08.2011 – NPO)

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