Warum macht „Gelenkrheuma“ während einer Schwangerschaft Pause und tritt dann nach der Geburt wieder auf? Diese Frage war bislang ungeklärt. Nun haben Wissenschaftler in einer neuen Studie das Rätsel gelöst. Die Ergebnisse wecken Hoffnung auf neue Therapien, so die Forscher im Fachblatt „Arthritis & Rheumatism“.
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Die umgangssprachlich als „Gelenkrheuma“ bezeichnete so genannte Rheumatoide Arthritis ist keine Alterserscheinung, sondern kann auch junge Menschen betreffen. Dabei entzündet sich zunächst die Innenhaut der Gelenke an Händen, Füßen, Knien, Schultern oder auch Hüften. Der Entzündungsherd wandert dann weiter in Knorpel und Knochen, wo er gesundes Gewebe zerstört. Dieser Prozess wird durch körpereigene Abwehrmechanismen ausgelöst – man spricht daher von einer Autoimmunerkrankung.
In einer Studie haben Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Inselspitals, Universitätsspital Bern, jetzt neue Erkenntnisse zum Verständnis der Krankheit geliefert. Sie untersuchten dabei zunächst die Genaktivität in Blutzellen erkrankter und gesunder Frauen. Die im Blut enthaltenen Lymphozyten und Monozyten sind Zellen der Immunabwehr. Eine erhöhte Anzahl und Aktivität gilt als Indikator für eine Entzündungsreaktion.
Mehr Monozyten
Die Wissenschaftler führten anschließend Vergleiche während und 24 Wochen nach der Entbindung durch. Das Ergebnis: Während der Schwangerschaft waren keine wesentlichen Unterschiede zwischen Gesunden und Erkrankten zu verzeichnen: Beide Gruppen hatten einen erhöhten Spiegel von Monozyten, den so genannten Fresszellen. Diese gehören der angeborenen Immunabwehr an, die Bakterien und Viren anhand typischer Strukturmerkmale erkennt.
Der Anteil von Lymphozyten hingegen war in beiden Gruppen relativ niedrig. Diese Zellen sind Teil der spezifischen Immunabwehr. Sie erlernen, körperfremde Antigene mit größerer Effizienz als das angeborene Immunsystem zu zerstören.
Nach der Entbindung nahm bei den gesunden Frauen der Anteil an Monozyten wieder ab, während er bei den erkrankten Frauen erhöht blieb und diese Zellen eine verstärkte Aktivität entwickelten. Gleichzeitig nahm bei beiden Gruppen die spezifische Immunabwehr wieder zu.
Bald neue Therapien?
„Es ist eine wichtige Tatsache, dass bei schwangeren Frauen die spezifische Immunabwehr unterdrückt wird, damit Abstoßungsmechanismen gegen den ,Fremdkörper‘ Kind vermieden werden“, erklärt Dr. Thomas Häupl von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie am Campus Charité Mitte. Professor Peter Villiger von der Rheumatologischen Klinik am Inselspital vermutet, dass „deshalb auch die Symptome der Rheumatoiden Arthritis in der Schwangerschaft nachlassen oder sogar verschwinden.“
Die beiden Teams aus Berlin und Bern konnten nun die molekularen Abläufe dieses Prozesses bei erkrankten Schwangeren genauer analysieren. Jetzt hoffen die Wissenschaftler, dass es ihnen gelingt, diese Mechanismen künstlich in Gang zu setzen und so für Therapien zu nutzen.
(idw – Charité-Universitätsmedizin Berlin, 14.11.2008 – DLO)