Zellen müssen sparsam haushalten. Deshalb sind nur die Gene angeschaltet, die gerade benötigt werden. Die übrigen werden chemisch markiert und dadurch gezielt stillgelegt. Wissenschaftler haben nun erstmals enthüllt, wie diese Markierungen an genau die richtige Stelle im Erbgut platziert werden.
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Entscheidende Mitspieler sind danach so genannte regulatorische RNA-Moleküle. Deren Sequenz passt genau zum Erbgutbereich, der markiert werden soll. RNA und DNA bilden an dieser Stelle eine zopfartige Dreifach-Helix, die als Wegweiser für die Markierungen dient, so die Forscher in der Fachzeitschrift „Genes & Development“.
Erbgut als Kochbuch
Unser Erbgut wird oft mit einem Buch verglichen. Allerdings gleicht es nicht einem Roman, der am Stück zu lesen ist, sondern eher einem Kochbuch: Die Zelle liest immer nur die Rezepte, die gerade zubereitet werden sollen. Die Kochrezepte entsprechen dabei den Genen. „Lesen“ im Buch der Zelle bedeutet, von einzelnen Genen RNA-Abschriften zu fertigen, die dann in Proteine übersetzt werden.
Mit hochkomplexen, ausgeklügelten Regulationsmechanismen stellt die Zelle sicher, dass nicht alle Gene gleichzeitig gelesen werden: Bestimmte Genschalter müssen aktiviert werden, zusätzlich bestimmen chemische Markierungen an der DNA, welche Gene in RNA umgeschrieben werden sollen und welche dagegen unzugänglich sind – dort bleibt das Buch buchstäblich zugeklappt. Biologen bezeichnen dies als epigenetische Genregulation.
Methylverbindungen legen Gene still
Zu den gut untersuchten epigenetischen Mechanismen gehört, Gene mit Methylverbindungen stillzulegen. Das erledigen spezialisierte Enzyme, die Methyltransferasen, die an bestimme „Buchstaben“ der Gene Methylmarkierungen anheften und damit das ganze Gen unzugänglich machen.
„Eines der großen Rätsel der modernen Molekularbiologie ist: Woher wissen die Methyltransferasen, wo sie ihre Markierung anbringen müssen, um gezielt ein bestimmtes Gen zu inaktivieren?“, erklärt Professorin Dr. Ingrid Grummt aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum.
Epigenetische Regulation und Steuerung durch nichtkodierende RNAs greifen ineinander
Die Wissenschaftlerin ist der Lösung dieses Rätsels einen großen Schritt näher gekommen. Sie erforscht vor allem solche Textpassagen im Erbgut, die gar keine Rezepte enthalten. Trotzdem werden diese Texte auf kontrollierte Weise in RNA-Moleküle umgeschrieben. „Diese so genannten nicht-kodierenden RNAs enthalten keine Proteinrezepte. Sie sind wichtige Regulatoren in der Zelle, die wir gerade erst zu verstehen beginnen“, so Grummt.
In ihrer neuen Studie beweisen Grummt und ihre Kollegen erstmals, dass die epigenetische Regulation und die Steuerung durch nichtkodierende RNAs ineinandergreifen. Schleusen Forscher das nichtkodierende RNA-Molekül „pRNA“ künstlich in Zellen ein, so wird ein bestimmter Genschalter mit Methylmarkierungen versehen und die dahinter liegenden Gene werden nicht abgelesen.
DNA und RNA bilden Zopf
Der Trick bei der Sache: pRNA passt genau zur DNA-Sequenz dieses Genschalters. Die Forscher fanden heraus, dass pRNA mit den beiden DNA-Strängen im Bereich dieses Genschalters eine Art Zopf bzw. Dreifach-Helix bildet. Methyltransferasen wiederum können spezifisch an diesen Zopf andocken und werden dadurch genau an die Stelle dirigiert, wo ein Gen blockiert werden soll.
Über die Hälfte unseres Erbguts wird in nichtkodierende RNA-Moleküle überschrieben. Das lässt Grummt spekulieren: „Es ist durchaus denkbar, dass für alle Gene, die zeitweise stillgelegt werden, passgenaue nichtkodierende RNA-Moleküle vorhanden sind. Das würde erklären, wie eine solche Vielzahl an Genen gezielt an- und abgeschaltet werden kann.“
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 19.10.2010 – DLO)