Tübinger Forschern sind tiefe Einblicke in die Steuerung von Proteinen gelungen. Wie sie in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ berichten, haben sie eine bisher unbekannte Form des Regulatorproteins Ubiquitin identifiziert, die Entzündungsprozesse beeinflusst.
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Das kleine Eiweiß trägt den Namen Ubiquitin, was zum Ausdruck bringt, dass es allgegenwärtig – ubiquitär – in den Zellen höherer Lebewesen vorkommt. Ubiquitin bindet an andere Proteine und beeinflusst deren Eigenschaften auf unterschiedlichste Weise. Die Modifizierung von Proteinen durch Ubiquitin, die so genannte Ubiquitinierung, deren Entdeckung im Jahr 2004 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist für viele regulatorische Prozesse in der Zelle von größter Bedeutung.
Ubiquitin kann zur Entstehung von Krankheiten beitragen, aber auch Fehler in der Proteinbildung korrigieren helfen. Es können sich Ketten von Ubiquitin-Molekülen bilden und mit einem Zielprotein verbinden. Man spricht dann von Polyubiquitinierung.
Neue Form von Polyubiquitin nachgewiesen
Eine neue Form dieser Polyubiquitinierung, die bei der Regulation von Entzündungsprozessen eine wichtige Rolle spielt, haben jetzt Forscher der Universität Tübingen nachgewiesen. Die Wissenschaftler des Proteom Centrums Tübingen (PCT) um Professor Boris Macek haben damit einen Beitrag zu einer großen internationalen Studie geleistet.
Den Tübinger Befund beschreibt Macek so: „Bisher waren zwei Hauptformen von Polyubiquitinierung bekannt. Nun ist es uns in Kooperation mit Professor Ivan Dikic aus Frankfurt gelungen, eine neue Form von Polyubiquitin – das lineare Ubiquitin – nachzuweisen.“ Mit Hilfe der Massenspektrometrie, einer Methode, die die Masse der ionisierten Moleküle, zum Beispiel Proteine, messen kann, konnten die Forscher die winzigen Mengen dieses Polyubiquitins in der Zelle bestimmen.
Lineare Ubiquitinierung
„Wir haben gezeigt, dass die endogene Menge dieser Modifikation ungefähr 30 Mal niedriger ist als die Hauptformen von Ubiquitin. Zudem haben wir nachgewiesen, dass NEMO, ein wichtiges regulatorisches Protein des so genannten NFKappaB- Signaltransduktionswegs, durch lineare Ubiquitinierung modifiziert wird“, erklärt Macek weiter.
Thema der internationalen Studie war die Entstehung und Funktion linearer Ubiquitinierung. In der Studie wurde gezeigt, dass ein wichtiger Regulationsmechanismus der Zelle von dieser neuen Form von Ubiquitinierung gesteuert wird. Der NFKappaB-Signaltransduktionsweg ist bei der Entstehung von Entzündungsprozessen von großer Bedeutung. Die neuen Erkenntnisse über dessen Regulierung können, so hoffen die Forscher, zur Entwicklung neuer Therapien führen.
Große Herausforderung
„Das lineare Ubiquitin nachzuweisen war eine große Herausforderung, da die verschiedenen Formen von Ubiquitinierung sehr schwierig und eigentlich nur mittels Massenspektrometrie eindeutig voneinander zu unterscheiden sind“, sagt Mirita Franz-Wachtel, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Aufgrund der sehr kleinen intrazellulären Mengen dieser Modifikation wurden die empfindlichsten Methoden und Geräte benötigt und eingesetzt. Glücklicherweise hat alles funktioniert, und wir konnten die biologischen Experimente von Ivan Dikic bestätigen.“ (Nature Online, 2011; doi:10.1038/nature09814)
(Universität Tübingen, 01.04.2011 – DLO)