Zoologie

Ratten können kooperative Artgenossen erschnuppern

Über den Geruch entscheiden Ratten, mit wem sie ihre Nahrung teilen

Ratte
Ratten sind sehr soziale Tiere. Aber mit wem sie Futter teilen, entscheiden sie nach dem Geruch. © Nina Gerber

Der Duft der Kooperation: Ratten erkennen hilfsbereite Artgenossen schon an ihrem Duft, wie neue Untersuchungen belegen. Demnach geben kooperative Nager einen speziellen Geruch ab, wenn sie sich hilfsbereit verhalten. Riechen ihre Artgenossen den Duft, teilen sie bevorzugt mit diesen sozialen Ratten ihre Nahrung – möglicherweise in der Hoffnung, von diesen auch einmal unterstützt zu werden.

Sie gelten als Schädlinge in Großstädten, als Überträger der Pest und als Reservoir für gefährliche resistente Keime. Doch ungeachtet ihres schlechten Rufs können Ratten dem Menschen ein wichtiger Helfer sein: Speziell trainierte Nager können zum Beispiel Tuberkulose bei Kindern erschnüffeln – und das deutlich besser als gängige Tests mittels Abstrich und Mikroskop.

Zudem sind Ratten eine durchaus soziale Spezies: Sie betreiben Tauschhandel, können Reue empfinden und gelten zudem als mitfühlende Tiere. Denn auch Ratten können Experimenten zufolge empathisch sein, indem sie prompt reagieren, wenn ihr Verhalten Artgenossen Schmerzen zufügt. Außerdem helfen sie sich auch gegenseitig bei der Fellpflege oder der Futtersuche.

Wie erkennen Ratten kooperative Artgenossen?

Neues zum Sozialverhalten der Ratten haben nun Wissenschaftler um Nina Gerber von der Universität Bern herausgefunden. Vorherige Beobachtungen legten nahe, dass Ratten ihre Hilfsbereitschaft bevorzugt gegenüber kooperativen Sozialpartnern zeigen. Eigennützige Artgenossen behandeln sie hingegen weniger großzügig. Gerber und ihre Kollegen wollten daher wissen, wie Ratten die Hilfsbereitschaft ihrer Sozialpartner erkennen.

Da Ratten vergleichsweise schlecht sehen, testeten die Forscher die Versuchstiere auf ihren hochentwickelten Geruchssinn. Dafür setzten sie jeweils zwei Wanderratten (Rattus norvegicus) in einen Plexiglaskasten und trennten sie mit einem Drahtgitter. Mithilfe eines Holzstabs konnte eines der Tiere seinem Gegenüber Nahrung zur Verfügung zu stellen.

Zunächst prüften die Wissenschaftler, ob diese Ratte das Futter teilte, wenn sie ihren Artgenossen riechen und sehen konnte, und schließlich, wenn die Gerüche abgesaugt wurden. Daraufhin ließen sie per Luftstrom ausschließlich den Duft von Ratten aus einem anderen Käfig einströmen, die sich währenddessen entweder kooperativ oder nicht hilfsbereit verhielten, und beobachteten das Verhalten erneut.

Geruch entscheidet über Hilfsbereitschaft

Dabei zeigte sich: Die Ratten teilten tatsächlich bevorzugt ihre Nahrung, wenn sie ihren Gegenüber riechen konnten. Dabei fiel auf, dass die Versuchstiere vor allem zuvor hilfsbereiten Ratten halfen – unabhängig davon, ob sie selbst von diesen schon einmal unterstützt wurden: „Die Versuchsratten tendierten dazu, Nahrung häufiger für zuvor kooperative als für zuvor nicht kooperative Partner bereitzustellen“, resümieren die Forscher.

Weitere Versuche ergaben, dass die Nager auch beim Geruch eines fremden Artgenossen häufiger dazu neigten, ihre Nahrung mit ihrem Gegenüber zu teilen. Das Erstaunliche: Rochen sie dabei den Duft von kooperativen Sozialpartnern aus einem anderen Käfig, halfen sie sogar den Artgenossen, die sich selbst nicht hilfsbereit verhielten.

„Egal, ob die Partnerratte im Nachbarabteil hilfsbereit war oder nicht – sobald dem Versuchstier der Geruch einer anderen Ratte, die einem anderen Tier half, in den Käfig geblasen wurde, stimmte sie das kooperativ“, berichtet Gerber.

Duft erhöht Chance auf Gegenleistung

„Überraschenderweise war also der Geruch, und nur dieser allein, für die Hilfsbereitschaft der Versuchstiere verantwortlich“, betont Koautorin Manon Schweinfurth von der University of Saint Andrews. Das lege nahe, dass hilfsbereite Ratten spezielle Duftmoleküle freisetzen. Dieser Geruch scheint für die Hilfsbereitschaft ihrer Artgenossen entscheidender zu sein als die sichtbare kooperative oder nicht-kooperative Verhaltensweise des Gegenübers.

Daraus schlossen Geber und ihre Kollegen, dass Ratten unbewusst durch den Duft ihre Neigung zur Kooperation signalisieren und damit ihre Chancen erhöhen, im Gegenzug Hilfe zu erhalten. Biologen sprechen dabei von reziprokem Verhalten, bei dem hilfsbereite Tiere zwar zunächst scheinbar keinen Vorteil für ihr eigenes Überleben haben, aber sich damit die Wahrscheinlichkeit für sie erhöht, in Zukunft eine Gegenleistung zu erhalten.

„Duft der Hilfsbereitschaft“ auch beim Menschen?

Auch wenn Menschen sich bekanntlich nicht wie Ratten auf die Gerüche der anderen verlassen, deuteten bereits einige Studien darauf hin, dass Düfte bei uns der Schlüssel zur Partnersuche sind und dass der Geruch bestimmter Botenstoffe das Vertrauen in andere erhöhen kann. Ob es aber auch einen „Duft der Hilfsbereitschaft“ bei Menschen gibt, soll nun in zukünftigen Studien erforscht werden. (Proceedings of the Royal Society B., 2020, doi: 10.1098/rspb.2020.2327)

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen

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