Paläontologie

Raubdinosaurier verblüfft Paläontologen

Einzigartige Kombination von Merkmalen deutet auf besonders "kreative" Evolutionsphase hin

Asfaltoventor vialidadi
So könnte der Raubdinosaurier Asfaltoventor vialidadi vor rund 172 Millionen Jahren ausgesehen haben. © Gabriel Lio

Experiment der Evolution: In Patagonien haben Paläontologen das bisher vollständigste Fossil eines Raubdinosauriers der Jurazeit entdeckt. Doch das 172 Millionen Jahre alte Skelett verblüfft durch eine ungewöhnliche Kombination von Merkmalen. Denn einige davon gehören eher zu anderen Stammeslinien. Die Forscher vermuten, dass es sich um Parallelentwicklungen handelt, die auf eine besonders schnelle Artbildung nach einem Massenaussterben hindeuten.

Ob Tyrannosaurus, Allosaurus oder Velociraptor: Diese Raubdinosaurier waren nicht nur gefürchtete Jäger ihrer Zeit, sie alle gehörten zur Gruppe der Tetanurae. Diese zweibeinig laufenden Fleischfresser prägten die Tierwelt von Jura und Kreidezeit und leben noch heute in unseren Vögeln fort. Doch die Ursprünge und frühe Evolution dieser Raubdinosaurier liegen noch weitgehend im Dunkeln – es fehlt an fossilen Belegen.

„Aktuelle Forschungen deuten auf eine explosive Artbildung der Tetanurae im frühen bis mittleren Jura hin“, erklären Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie und sein Kollege Diego Pol vom VONICET-Museum in Argentinien. „Aber die fragmentarische Natur der frühesten Fossilien dieser Stammesgruppe beeinträchtigt unser Wissen über dieses Ereignis.“

Kieferknochen
Der freipräparierte Unterkiefer von Asfaltoventor vialidadi. © O. Rauhut/ SNSB-BSPG

Zusammengewürfelte Merkmale

Neuen Einblick liefert nun ein in Patagonien entdecktes Dino-Fossil. Es handelt sich um das Skelett eines rund acht Meter lange Raubdinosauriers, der vor rund 172 Millionen Jahren lebte. Erhalten sind fast der ganze Schädel, die gesamte Wirbelsäule bis zum Becken, die Arme sowie Teile der Beine. Damit ist dieses Fossil das vollständigste Raubdinosaurier-Skelett, das aus der frühen mittleren Jurazeit weltweit bekannt ist, wie Rauhut und Pol berichten.

Überraschend jedoch: Als die Forscher die Anatomie des Asfaltoventor vialidadi getauften Dinosaurier näher untersuchten, entdeckten sie Ungewöhnliches. Denn der Raubdinosaurier zeigt diverse Skelettmerkmale, die wie aus verschiedenen Tetanurengruppen zusammengewürfelt erscheinen. Einige Teile seines Schädels ähneln dem der Allosaurier, andere Knochen gleichen denen der zu einem anderen Zweig der Tetanurae gehörenden Megalosauroidea oder sind sehr urtümlich.

Parallelentwicklungen als Experimente der Evolution

Nach Ansicht der Forscher wirft das Fossil damit ein neues Licht auf die Evolutionsgeschichte dieser Tiergruppe. Denn seine Merkmale stellen nicht nur die bisher angenommenen Verwandtschaften zwischen den großen Gruppen der Tetanuren in Frage. Sie liefern auch einen Hinweis auf die bisher nur postulierte explosive Artbildung dieser Dinosauriergruppe während des mittleren Jura.

Wie Rauhut und Pol feststellten, entwickelten damals viele unterschiedliche Vertreter der Tetanuren verblüffend ähnliche Merkmale. Die Forscher deuten diese Parallelentwicklungen von äußeren Merkmalen als „Experimentieren“ der Evolution: Weil vor rund 180 Millionen Jahren in einem Massenaussterben viele ökologische Nischen freiwurden, entwickelten sich viele neue, einander ähnliche Arten in kurzer Zeit.

Hinweis auf Artbildung nach Massenaussterben

„Dieses Muster beobachten wir auch bei anderen Tiergruppen, die sich nach Aussterbeereignissen oft rasend schnell entfalten, wie etwa bei den Säugetieren oder den Vögeln nach dem Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren“, erklärt Rauhut. Erst nach dieser ersten, teils parallelen Entwicklung von Arten klärte sich, welche Merkmale und Spezies erfolgreich sind und nur diese Linien mit ihren jeweils spezifischen Merkmalskombinationen entwickelten sich dann weiter.

Asfaltoventor vialidadi repräsentiert offenbar eines dieser frühen „Experimente“ der Evolution, wie die Forscher erklären. Er vereint deshalb noch Merkmale in sich, die später nur noch getrennt voneinander in verschiedenen Linien weitergeführt wurden. Dieser wahrscheinlich für viele explosive Artbildungsphasen typische Prozess erklärt auch, warum die Verwandtschaftsverhältnisse am Ursprung vieler Tiergruppen oft nur schwer entschlüsselt werden können. (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-019-53672-7)

Quelle: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

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