Biologie

Raupe erbt Immunreaktion

Insektenweibchen geben Abwehr gegen Erreger an die nächste Generation weiter

Raupe des Kohlspanners © MPI für chemische Ökologie

Raupen des Kohlspanners können Abwehrstoffe und die entsprechende Genaktivierung an ihre noch ungeborenen Nachkommen weitergeben. Kaum aus dem Ei geschlüpft, kann sich der Nachwuchs somit gegen angreifende Krankheitserreger wehren. Das geht deshalb, weil Insekten statt Antikörpern Proteine als Immnagenten einsetzen.

Organismen werden ständig von Tausenden von Bakterien, darunter auch gefährlichen Krankheitskeimen, bedroht – trotzdem sind Krankheit und Siechtum die Ausnahme, der Großteil der Lebewesen erfreut sich bester Gesundheit. Um diesen ökologischen Aspekt der Immunologie zu studieren, sind Insekten geeignete Modellorganismen. Sie sind leichter zu handhaben als Wirbeltiere und weisen meist dieselben Immunantworten auf. Ihre humoralen Abwehrreaktionen, die vor allem Pilze und Bakterien in Schach halten, basieren auf antipathogenen Proteinen und Enzymen, die vor allem in der Leibeshöhlenflüssigkeit (Hämolymphe) der Insekten gebildet werden.

Nahrung beeinflusst Abwehrstatus

Dalial Freitak vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hatte beobachtet, dass die Zusammensetzung der Nahrung die Abwehrreaktionen der Insekten deutlich beeinflusste. Sie fütterte Raupen des Kohlspanners mit unterschiedlicher Kost: einmal wurde die Nahrung mit Bakterien angereichert, im anderen Fall handelte es sich um eine künstliche, sterilisierte Diät. „Interessanterweise reicherten jene Raupen, die bakteriell durchsetzte Nahrung bekamen, in ihrer Hämolymphe eine ganze Reihe von antimikrobiellen Proteinen an“, beschreibt Freitak ihre Beobachtungen.

Immungene reagieren

Wie aber kommt es zu derartigen Veränderungen? Der Bauplan für Proteine ist im Genom gespeichert, „die mit Bakterien infizierte Nahrung müsste also das Ablesen bestimmter Gene und die Herstellung der entsprechenden Proteine – also die Genexpression – in den Raupen beeinflussen“, so die aus Estland stammende Biologin. Tatsächlich fand Freitak, dass eine Reihe von Immungenen offenbar auf die bakteriell durchsetzte Nahrung angesprochen hatten: die Produktion von Gloverin, HDD1 und Hämolin war in diesen Raupen hochreguliert; jedoch nicht in jenen, die steril ernährt worden waren.

Auch einige Enzymaktivitäten waren in den „immunisierten“ Raupen verstärkt, und der Gehalt bestimmter Gen-Transkripte hatte sich ebenfalls deutlich verändert. „Eine interessante Frage für uns war, ob eine solche von außen ausgelöste Immunität an nachfolgende Generationen weitergegeben werden kann“, sagt Heiko Vogel, der Leiter der Studie.

Weitergabe auch komplexer Informationen und Zustände

Die Max-Planck-Forscher konnten Unterschiede im Genexpressionsmuster nachweisen zwischen jenen Raupen, die aus Eiern von mit Bakterien gefütterten Faltern stammten, und jenen, die aus Eiern von steril ernährten Faltern geschlüpft waren. „Trans-generational priming“ nennen die Wissenschaftler dieses Phänomen. Verändert wird dabei nicht nur die Genaktivität, sondern auch Proteinbestand und Enzymreaktionen.

„Der Umfang und die Art der Veränderungen in den Nachkommen sind überraschend und darüber hinaus auch sehr komplex“, sagt Vogel. Alle Theorien zum trans-generational priming gehen von einem positiven Effekt auf die nachfolgende Generation aus, „unsere Experimente haben aber gezeigt, dass der Zustand der Eltern-Generation nicht 1:1 weitergegeben wird. Es besteht daher auch die Möglichkeit eines negativen Effektes auf die Nachkommen“, so der Studienleiter.

Die nächste Frage ist, wie die Signale übertragen werden. David Heckel, Direktor der Abteilung Entomologie, ergänzt: „Wir wissen bisher nicht, wie der Transfer auf die nächste Generation funktioniert.“ Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, wie beispielsweise die Übertragung mütterlicher Proteine oder RNA in das Zytoplasma der Eizelle. Auch Änderungen im Methylierungsmuster der DNA, über die das Ablesen von Genen beeinflusst werden kann, sind denkbar. „Damit betreten wir ein sehr modernes Gebiet der Genomforschung, die so genannte ‚Epigenetik'“, stellt Heckel fest. Die Forscher werden nun beginnen, den Übertragungsmechanismus zu entschlüsseln – und hoffen auf spannende neue Einsichten.

(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 29.05.2009 – NPO)

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