Wissenschaftler haben eine „Schießerei“ im Labor veranstaltet: Bei einem Experiment, das von Westernfilmen inspiriert wurde, konnten sie beweisen, dass wir uns schneller bewegen, wenn wir auf Geschehnisse unserer Umwelt reagieren, als wenn wir die Handlung selber bewusst herbeiführen.
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Die neuen Ergebnisse könnten uns beispielsweise dabei helfen, im Straßenverkehr zu bestehen. Sie bieten vielleicht aber auch die Möglichkeit, Strategien für Parkinsonpatienten zu entwickeln, deren Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, berichtet die Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B.“.
Wer zuerst zieht, verliert
Denken wir zurück an Westernfilme aus den frühen Zeiten der Hollywood-Ära: Der Mann, der zuerst die Waffe zog, lag zuerst am Boden. Dieses Szenario hat den Nobelpreisträger Niels Bohr zu der Vermutung veranlasst, dass wir schneller handeln, wenn wir auf einen Schuss reagieren, als wenn wir selbst die Initiative ergreifen und das Duell eröffnen.
Im täglichen Leben bewegen wir uns, weil wir uns dazu entschließen oder weil wir durch unsere Umgebung oder die Entscheidungen anderer dazu veranlasst werden. Bohrs Vermutung unterstützt diese Intuition.
Wettstreit im Labor
„Wir wollten wissen, ob es Beweise dafür gibt, dass Reaktionen schneller sind als die gleichen Bewegungen, die aus Eigeninitiative entstehen“, sagt Andrew Welchman von der Universität Birmingham, der zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen für die neue Studie verantwortlich war.
Dazu forderte der Wissenschaftler jeweils zwei Versuchsteilnehmer zu einem Wettstreit auf: Sie sollten Tasten auf einer Schaltfläche schneller als ihr Konkurrent drücken. Es gab kein Startsignal, also mussten die Probanden entweder auf eigene Initiative handeln oder schneller reagieren als ihr Gegner – genau wie in den Legenden der Revolverhelden.
„Quick-and-dirty“ Strategie
Das Ergebnis bestätigte die Erwartungen der Forscher: Die Teilnehmer, die auf die Handlung eines anderen reagierten, waren im Durchschnitt 21 Millisekunden schneller als jene, die diese initiierten. Allerdings passierten bei den Reaktionen mehr Fehler als bei den Aktionen. Diese „quick-and-dirty“ Strategie, also das schnelle, aber nicht ganz akkurate Reagieren auf unsere Umwelt, könnte sehr nützlich sein, vermuten die Wissenschaftler.
„21 Millisekunden sind zwar nur ein sehr geringer Zeitunterschied und würde unser Leben in einem echten Duell nicht retten, da unser Gehirn allein schon 200 Millisekunden braucht, um auf die Handlung des Gegenüber zu reagieren. Aber dieser Bruchteil einer Sekunde könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, wenn wir beispielsweise einem Bus ausweichen müssen“, erklärt Welchman.
Angeblich duellierte sich Bohr mit seinem Kollegen George Gamow mit Spielzeugpistolen, um seine Theorie zu beweisen. Er verhielt sich defensiv und gewann trotzdem jedes Mal. Es hatte den Anschein, als habe er Recht gehabt. Tatsächlich war er wahrscheinlich nur ein sehr guter Schütze.
Bald Hilfe für Parkinsonpatienten?
Aber Existieren zwei unterschiedliche Prozesse in unserem Gehirn für zwei verschiedene Arten von Handlungen? Möglicherweise könnten Parkinsonpatienten diese Frage beantworten. So ist beispielsweise bekannt, dass sie besser reagieren können, als vorsätzliche Bewegungen auszuführen. Einen Ball vom Tisch zu nehmen, fällt ihnen schwerer, als denselben Ball spontan zu fangen.
„Dies könnte der Beweis dafür sein, dass die Bereiche im Gehirn, welche durch Parkinson betroffen sind, mehr für bewusste Handlungen als für Reaktionen verantwortlich sind“, sagt Heinrich Bülthoff vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, besteht eventuell die Möglichkeit Strategien zu entwickeln, um die Bewegungsfähigkeit dieser Patienten zu verbessern.
(idw – Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, 03.02.2010 – DLO)