Ein unbeliebter Vorratschädling hat sich als wertvoller Helfer der Forscher entpuppt. Denn der Rotbraune Reismehlkäfer trotzt krankmachenden Keimen, obwohl ihm ein wichtiger Teil der Immunabwehr fehlt. Wie er dies schafft, hat jetzt ein deutsch-türkisches Forscherteam herausgefunden. Demnach besitzt der Käfer spezielle Gene, mit deren Hilfe er antimikrobielle Substanzen produzieren kann. Das Besondere daran: Einige dieser Gene waren bisher nur von Pflanzen bekannt, andere sind beim Käfer viel häufiger als bei anderen Insekten, wie die Forscher im internationalen Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.
Das Immunsystem schützt den Körper gegen Infektionen und die damit verbundenen Schäden. Menschen besitzen wie die meisten Wirbeltiere zur Immunabwehr gleich zwei Verteidigungslinien: Die spezifische Abwehr erzeugt maßgeschneiderte Antikörper und hetzt die T-Killerzellen gezielt auf die Eindringlinge. Die angeborene Abwehr wirkt dagegen allgemeiner, ist dafür aber meist weniger effektiv im Falle einer Infektion. Insekten fehlt die spezifische Immunabwehr. Wie sie sich dennoch mit Hilfe ihrer angeborenen Immunität gegen Krankheitserreger schützen, wurde bislang vor allem an der Taufliege Drosophila melanogaster untersucht. Wie sich andere Insekten vor Infektionen schützen, haben nun Wissenschaftler der Universität Bonn und Gießen gemeinsam mit türkischen Kollegen am Beispiel des rotbraunen Reismehlkäfers aufgeklärt.
Der rotbraune Reismehlkäfer (Tribolium castaneum) ist ein weltweit verbreiteter Vorratsschädling. Der nur wenige Millimeter große Käfer befällt vor allem Getreideprodukte. Inmitten der Körner oder des Mehles ist er dabei keineswegs vor krankmachenden Keimen gefeit. Über sein Futter kann er schädliche Pilze und Bakterien aufnehmen. Um herauszufinden, wie das Immunsystem gegen diese Erreger vorgeht, analysierte das Forscherteam die DNA des Käfers und untersuchte, welche Gene bei einer Immunreaktion des Tieres angeschaltet wurden.
Abwehr mobilisiert helfende Gene
Das Ergebnis: Um Erreger abzuwehren, aktiviert der Reismehlkäfer viele Dutzende verschiedener Gene. Einige von ihnen waren bereits von Pflanzen bekannt und sorgen bei diesen dafür, dass Thaumatin-Abwehrmoleküle produziert werden – eine antimikrobiell wirkende Substanz. Den meisten Tieren fehlen diese Gene, der Käfer aber besitzt sie, wie die Forscher feststellten. Aber auch Gene für bekannte Abwehrproteine wie Lysozyme und Defensine mobilisiert der Käfer bei seiner Immunantwort. Von einigen immunregulierbaren Genen besitzt der Käfer sogar deutlich mehr als andere Insekten.
„Besonders interessant ist, dass Käfer-Immunsignalwege möglicherweise komplexer reguliert sind als die der Taufliegen“, sagt Boran Altincicek. Denn man habe sowohl eine größere Anzahl an Toll-Rezeptor-Genen gefunden als auch mehr von deren Bindungspartnern, den so genannten Spätzle-Proteinen. Toll-Rezeptoren sind spezielle Andockstellen im Körper, mit deren Hilfe die Abwehr potenziell schädliche Eindringlinge erkennt. Dies geschieht, indem bestimmte Moleküle an der Oberfläche von Viren, Pilzen oder Bakterien wie ein Schlüssel in das Schloss des Rezeptors einrasten. Dies wiederum löst biochemische Reaktionsketten aus – und aktiviert so die angeborene Immunabwehr. (PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0052004)
(PLoS ONE / Altincicek, 10.01.2013 – NPO)