Biologie

Rekord: Eine Motte hört am höchsten

Die Große Wachsmotte kann noch Frequenzen bis 300 Kilohertz wahrnehmen

Große Wachsmotte (Galleria melonella) © Moir et al. / Roy. Soc. Biology Letters

Ein tierischer Rekord: Das Ohr der Großen Wachsmotte hört die höchsten Töne des Tierreichs. Während selbst die ultraschallerprobten Fledermäuse bei einer Schallfrequenz von mehr als 200 Kilohertz kapitulieren müssen, registriert das Mottenohr sogar noch Töne von 300 Kilohertz. Das berichten britische Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“. Offen bleibt allerdings, warum die Motten überhaupt so hohe Töne hören können – denn auch ihre Hauptfeinde, die Fledermäuse, fiepen nicht in dieser extrem hohen Tonlage.

In ihrem erbitterten Wettrüsten schenken sich Motten und Fledermäuse nichts: Die einen fressen für ihr Leben gern Motten und ähnliches Getier, die verfolgten Schmetterlinge auf der anderen Seite müssen immer wieder ausgeklügelte Gegenmaßnahmen entwickeln. Dazu gehört vor allem ihr gutes Gehör, das ihnen ermöglicht, auf die Ultraschallrufe ihrer Feinde zu lauschen und sich bei Gefahr rechtzeitig davonmachen zu können.

Dabei erreichen die Insekten beeindruckende Leistungen: Der Schwammspinner zum Beispiel, der bisherige Rekordhalter, kann problemlos Töne bis zu einer Frequenz von 150 Kilohertz wahrnehmen. Das haben allerdings auch die Fledermäuse bemerkt und die nächste Runde im Wettrennen eingeläutet: Einige Arten benutzen mittlerweile bereits Ruffrequenzen von bis zu 212 Kilohertz – nach bisherigem Wissen also deutlich außerhalb der Hörfähigkeit der Motten. Doch haben die Fledermäuse im Moment tatsächlich die Nase vorn? Oder ist es einigen Motten vielleicht doch gelungen, einen Gegenschlag zu initiieren?

Gehörtest auf Mottenart

Diese Fragen haben sich Hannah Moir und ihre Kollegen von der University of Strathclyde in Glasgow gestellt und bei der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) nach Antworten gesucht. Diese Art bietet sich an, weil sie ohnehin in vielen Labors für medizinische Tests gezüchtet wird. Zudem leben die Tiere nahezu überall auf der Welt, was bedeutet, dass sie mit den unterschiedlichsten Fledermaustypen in Kontakt kommen und daher vermutlich besonders eifrig am evolutionären Wettrüsten beteiligt sind, wie die Forscher erläutern.

Moir und ihre Kollegen untersuchten daher die sogenannten Tympanalorgane der Motten – quasi deren Ohren. Dabei handelt es sich um zwei Hohlräume im Brustbereich der Tiere, die von dünnen Membranen bedeckt sind. Diese Membranen fungieren ähnlich wie die Trommelfelle im menschlichen Ohr und sind per Zellbrücke mit darunterliegenden Sensoren gekoppelt, die auf mechanische Reize reagieren. Beginnen die Membranen zu schwingen, lösen die Sensoren einen Nervenimpuls aus und die Motte nimmt ein Geräusch wahr.

Vibrierende Hörmembran bei 300 Kilohertz

Wie gut das funktioniert, entdeckten die Wissenschaftler bei 20 Testmotten, denen sie Töne verschiedener Frequenzen und Lautstärken vorspielten. Dabei erfassten sie einerseits per Laser die Schwingungen der Hörmembran und andererseits per Elektrode die damit einhergehende Nervenaktivität. Die Töne reichten bis zu einer Frequenz von 300 Kilohertz und lagen damit deutlich über der Hörfähigkeit aller bekannten Tiere. Zum Vergleich: Der Mensch hört nur bis zu einer Frequenz von etwa 20 Kilohertz.

Das Ergebnis: Bei allen 20 Testmotten vibrierten die Trommelfelle selbst bei 300 Kilohertz – die Forscher maßen Ausschläge von bis zu einem Nanometer. Da bereits ein Zehntel dieser Bewegung ausreicht, um einen Impuls zu erzeugen, könne man davon ausgehen, dass zumindest die meisten Tiere also tatsächlich auf die Töne reagierten, folgern sie. Tatsächlich lösten die extrem hohen Töne bei 15 der 20 Insekten gut messbare Nervenimpulse aus.

Warum hört die Motte so extrem hohe Töne?

Das allerdings wirft eine neue Frage auf: Wenn Fledermäuse maximal 212 Kilohertz als Ruffrequenz nutzen – warum besitzen die Motten dann ein derartiges Hochleistungsohr? Die Forscher können sich zwei mögliche Erklärungen vorstellen: Zum einen sei es möglich, dass es doch Fledermäuse gibt, die die höheren Frequenzen verwenden, was bisher einfach noch nicht beobachtet worden sei.

Zum anderen, und das halten sie für die wahrscheinlichere Erklärung, sorgt die größere Bandbreite vermutlich dafür, dass das Ohr der Motten schneller auf akustische Signale reagieren kann – denn Bandbreite und Reaktionszeit verhalten sich umgekehrt proportional zueinander. Die Wachsmotten hören dadurch einen Ton bereits innerhalb von zehn Mikrosekunden, Schmetterlinge mit weniger Bandbreite, wie die Eulenfalter benötigen dagegen 60 Mikrosekunden– ein Unterschied, der über Leben und Tod entscheiden kann.

Doch warum die Motten auch immer ihre Superohren haben: Sie sind damit auf jeden Fall bereits gut für die nächste Runde des evolutionären Wettrüstens vorbereitet. (Royal Society: Biology Letters, 2013; doi: 10.1098/rsbl.2013.0241)

(Biology Letters, 08.05.2013 – ILB)

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