Zoologie

Rekord: Längste Wanderung eines Wolfs nachgewiesen

Einzelnes Wolfsmännchen überbrückte 1.190 Kilometer Luftlinie zwischen Deutschland und Spanien

Wolf
Junge Wölfe können auf der Suche nach einem neuen Territorium weite Strecken zurücklegen. Jetzt hat ein Jungwolf aus Deutschland einen neuen Streckenrekord aufgestellt. © hkuchera/ iStock

Quer durch Europa: Ein Wolfsmännchen aus Deutschland hat die längste je bei einem Wolf dokumentierte Strecke zurückgelegt. Das Tier wanderte von Niedersachsen aus durch Frankreich bis nach Nordspanien, wie DNA-Vergleiche von Haarproben bestätigten. Damit hat dieser Wolf in Luftlinie rund 1.190 Kilometer überwunden, auf allen Vieren waren es sicher noch deutlich mehr, wie die Forschenden erklären. Dies illustriert, wie weit sich Wölfe von ihren Geburtsorten fortbewegen können.

Der Wolf besiedelte einst fast alle Lebensräume der Nordhalbkugel, von der arktischen Tundra bis in die Steppen und Wüsten südlicher Gefilde. Doch mit der Ausbreitung von uns Menschen wurde der perfekte Jäger selbst zum Gejagten – und wurde in Mitteleuropa weitgehend ausgerottet. Doch seit Anfang der 2000er Jahre haben sich in Deutschland wieder Wölfe angesiedelt. Die ersten Exemplare wanderten aus Osteuropa ein, inzwischen wächst die Zahl der heimischen Rudel immer weiter an.

DNA verrät Wolfsbewegungen

Doch wie weit können Wölfe auf der Suche nach neuen Territorien wandern? „Weite Wanderungen sind von Wölfen durchaus bekannt – im gleichmäßigen Trab können die Tiere mühelos viele Kilometer am Stück zurücklegen. Verlassen junge Wölfe ihr elterliches Rudel, legen sie auf der Suche nach geeigneten Territorien manchmal sehr weite Distanzen zurück“, erklärt Carsten Nowak vom Zentrums für Wildtiergenetik am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Um zu ermitteln, wohin die jungen Wölfe ziehen, suchen Wissenschaftler in ganz Europa nach Haar- und Kotproben von Wölfen und analysieren deren DNA. Durch Erbgutvergleiche könne sie dann feststellen, welcher Wolf diese Haare hinterlassen hat – und in Idealfall auch, woher er stammt. Eines der Tiere, von denen solche Proben existieren, ist das Wolfsmännchen GW1909m. Es wurde 2020 nahe der Stadt Nordhorn in Niedersachen geboren.

Von Niedersachsen bis nach Katalonien

Jetzt enthüllen Proben aus Frankreich und Spanien, wie weit dieser Wolf seither gewandert ist. GW1909m wanderte von seinem Geburtsort in Niedersachsen quer durch Frankreich, bevor er sich offenbar in der Nähe eines Dorfes in den katalanischen Pyrenäen niederließ. Dort wurde der Wolf zuletzt im Februar 2023 gesichtet. Kotproben aus dieser Gegend belegen, dass es sich um GW1909m handeln muss. Von seinem Aufenthalt in Frankreich zeugt eine im Juni 2022 untersuchte Haarprobe aus dem französischen Burgund.

Damit hat dieser Wolf im Laufe von nicht einmal ganz drei Jahren drei Länder durchquert und in Luftlinie ein Strecke von 1.190 Kilometern zurückgelegt. Dies ist die längste bislang dokumentierte Wanderdistanz eines Wolfs weltweit. „Diese nachgewiesene Strecke ist auch für dieses Raubtier eine Besonderheit“, erklärt Nowak. „Die längste bisher aufgezeichnete Strecke eines Wolfes lag mit 1.092 Kilometer zwischen Norwegen und Finnland – unser Individuum hat gut 100 Kilometer Wanderdistanz obendrauf gelegt.“

Schlüssel zum Überleben

Die Fähigkeit, solche enormen Entfernungen zu überwinden, erklärt, warum die Wölfe trotz ihrer stark geschrumpften Bestände so lange in Europa überdauern konnten. „Die Ausbreitung über weite Entfernungen ist ein Schlüssel zur Verbindung entfernter Wolfspopulationen, welcher dazu beiträgt, genetische Isolation und Inzucht zu verhindern“, so Novak. Zudem belegt die Route von GW1909m, dass diese tierische Langstreckenwanderer selbst stark anthropogen geprägte Landschaften durchqueren.

Ob das weitgereiste Wolfsmännchen allerdings noch lebt und wo es sich zurzeit aufhält, ist unklar. „Es bleibt also abzuwarten, ob zukünftige genetische Analysen in der Lage sein werden, diesen tierischen Langstreckenläufer oder sogar seine Nachkommen wieder aufzuspüren“, schließt Nowak.

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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