Jahrhundertrekorde: In und um das Great Barrier Reef in Australien haben die Wassertemperaturen erneut Rekordwerte erreicht. Das Meer ist dort 2024 so warm wie nie zuvor in den letzten 400 Jahren, wie Korallen-Bohrkerne enthüllen. Infolgedessen hat es in dem berühmten Riff erneut eine massenhafte Korallenbleiche gegeben. Die Erwärmung des Ozeans hat daher auch langfristige Folgen für die marine Artenvielfalt, warnen die Forschenden in „Nature“.
Das Great Barrier Reef ist mit rund 350.000 Quadratkilometern das größte Korallenriff und eines der vielfältigsten marinen Ökosysteme weltweit. Durch die Erwärmung der Erde und der Meere hat das an sich resiliente Riff im Nordosten Australiens in den letzten Jahren mehrere schwerwiegende Korallenbleichen erlebt, wobei ein großer Teil der Korallen abstarb und der gesamte Riff-Lebensraum beeinträchtigt wurde.
Bei einer solchen Bleiche stoßen die Korallen durch den Hitzestress die symbiotischen Mikroalgen ab, die in ihrem Gewebe leben und ihnen ihre leuchtenden Farben verleihen. Ohne die Algen wird das weiße Skelett der Koralle freigelegt und nicht mehr mit Nährstoffen und Energie versorgt; die Korallen verhungern. Diese Korallenbleichen treten immer häufiger auf, was wiederum die Regeneration durch Ansiedlung junger Korallenlarven erschwert.
Bohrkerne geben Einblick in die Vergangenheit
Doch wie stark hat sich die Meerestemperatur rund um das Great Barrier Reef verändert und ist sie wirklich ausschlaggebend für die Massenbleichen der Korallen? Bisher standen zur Beantwortung dieser Frage nur Messdaten aus der jüngeren Vergangenheit zur Verfügung. Ein Team um Benjamin Henley von der University of Melbourne hat nun die Temperaturen an der Meeresoberfläche in den letzten rund 400 Jahren rekonstruiert – von 1618 bis 1995.
Dafür entnahmen die Forschenden Proben aus den Kalkskeletten von besonders großen, alten Korallenstöcken an verschiedenen Stellen des Great Barrier Reefs und seiner Umgebung. Aus den Proben lässt sich mittels geochemischer Analysen auf das sommerliche Wachstum und damit auf die jährliche Meerestemperatur schließen. Die so erhaltenen Daten verglichen Henley und seine Kollegen mit den gemessenen Temperaturen an der Meeresoberfläche von 1900 bis 2024.
Marine Hitze und Korallenbleiche: Rekordjahr 2024
Die Bohrkerne enthüllten, dass die Temperaturen vor 1900 relativ stabil waren und kaum schwankten. Danach erwärmte sich der Ozean jedoch erst langsam und dann immer schneller, wie die Modellierungen ergaben. Neben natürlichen Faktoren und Klimaschwankungen wie dem El Niño trug dazu vor allem der menschgemachte Klimawandel bei: „Unsere Klimamodellanalyse bestätigt, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem für die schnelle Erwärmung in den letzten Jahrzehnten verantwortlich ist“, sagt Henley.
Von 1960 bis 2024 beobachteten die Forschenden beispielsweise eine durchschnittliche Erwärmung des Ozeans am Great Barrier Reef während der Wachstumsphase der Korallen von Januar bis März um 0,12 Grad Celsius pro Jahrzehnt. In den Jahren mit besonders starker Korallenbleiche – 2004, 2016, 2017, 2020, 2022 und 2024 – lag die Meerestemperatur jeweils nochmal deutlich höher und erreichte sogar die höchsten Werte in den letzten 400 Jahren, wie das Team berichtet.
2024 war dabei mit großem Abstand das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen: Die Meerestemperaturen vor der Küste Australiens lagen um weitere 0,19 Grad über dem vorherigen Rekordwert von 2017 und insgesamt 1,73 Grad über den Ozeantemperaturen der vorindustriellen Zeit vor 1900.
Wie sehen die Korallenriffe der Zukunft aus?
Der Klimawandel hat demnach katastrophale Folgen für das Great Barrier Reef und andere Korallenriffe, warnen Henley und seine Kollegen. „Wenn es nicht zu raschen, koordinierten und ehrgeizigen globalen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels kommt, werden wir wahrscheinlich den Untergang eines der spektakulärsten Naturwunder der Erde erleben“, sagt Henley.
Selbst wenn die globale Erwärmung unter dem Ziel des Pariser Klimaabkommens von 1,5 Grad über dem präindustriellen Niveau gehalten wird, könnten langfristig gesehen 70 bis 90 Prozent der Korallen auf der ganzen Welt verloren gehen, prognostizieren die Forschenden. Das umfasst nicht nur Flachwasserkorallen, sondern auch Riffe in tieferen Lagen, die schon jetzt zunehmend häufiger betroffen sind. Die Erderwärmung liegt derzeit bei knapp unter 1,5 Grad, vorübergehend wurde dieser Wert auch schon übertroffen, wie Messungen belegen.
Folgen für die Artenvielfalt
Die wenigen überlebenden Korallenriffe könnten zudem künftig eine geringere Biodiversität und Vielfalt an Korallenarten aufweisen. Dennoch lohnt sich weiterer Klimaschutz: „Jeder Bruchteil eines Grads Erwärmung, den wir vermeiden, wird zu einer besseren Zukunft für die Menschheit und die Natur unseres Planeten führen“, so Henley. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07672-x)
Quelle: Nature, University of Wollongong