Überraschend zellähnlich: Zwei neuentdeckte Riesenviren lassen die Grenze zwischen Viren und zellulären Lebewesen weiter verschwimmen. Denn die in Brasilien gefundenen Tupanviren sind nicht nur so groß wie ein Bakterium und tragen einen langen Schwanz. Ihr Genom enthält zudem die Bauanleitungen für fast die gesamte Maschinerie der Proteinbiosynthese, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Besäßen diese Viren Ribosomen, könnten sie selbst Proteine herstellen – ganz ohne Wirt.
Bisher schien die Abgrenzung klar: Als Lebewesen gilt ein Organismus, der die Zellmaschinerie für die Proteinbiosynthese besitzt – nur dann kann er sich selbst vermehren, wie es beispielsweise Bakterien, Pilze und höhere Organismen tun. Viren dagegen sind für ihre Vermehrung auf die Zellmaschinerie ihrer Wirtszellen angewiesen und daher keine echten Lebewesen. Denn sie besitzen weder die Gene, noch die biomolekulare Ausstattung für die Herstellung von Proteinen – so dachte man jedenfalls bisher.
Doch in den letzten Jahren haben Forscher bereits mehrere Viren entdeckt, die dieses einfache Schema zu sprengen drohen. Denn Riesenviren wie Mimivirus, Megavirus, Pandoravirus oder die Klosneuviren sind nicht nur so groß wie Bakterien, ihre Erbgut enthält auch viel mehr Gene als normalerweise bei Viren üblich. Darunter sind auch einige Gene für die Proteinbiosynthese.
Neuartige Riesenviren – mit Schwanz
Jetzt haben Jonatas Abrahão von der Aix Marseille Universität und seine Kollegen zwei neue Riesenviren aufgespürt, die die Grenze zwischen Viren und „echten“ Lebewesen noch weiter aufweichen. Entdeckt haben sie die Viren in Proben aus alkalischen Salzseen in Brasilien und aus Meeressedimenten in 3000 Metern Tiefe vor der Atlantikküste Brasiliens.