Evolution

„RNA-Welt“ in der Ursuppe?

Enzymatische Prozesse der RNA liefern neue Belege für Theorie

Heute ist die Erbsubstanz DNA der Grundbaustein nahezu allen Lebens. Doch dies könnte in der Frühzeit der Erde anders gewesen sein. Nach Ansicht einiger Forscher ging möglicherweise eine „RNA-Welt“ unserer heutigen Lebenswelt voraus. Jetzt haben Wissenschaftler entscheidende enzymatische Prozesse bei künstlicher RNA entdeckt und damit einen weiteren Mosaikstein für die Existenz einer solchen RNA-Welt geliefert.

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Obwohl vor wenigen Jahren das menschliche Genom entschlüsselt wurde und viele Vorgänge innerhalb der Zellen bekannt sind, gibt es immer noch viele ungeklärte Rätsel über die Funktion und den Aufbau von Zellkomponenten. Während die DNA (Desoxyribonukleinsäure) als Trägerin des Erbgutes dient, übersetzt die RNA (Ribonukleinsäure) diese Informationen zur Bildung von Proteinen. Die Proteine haben schließlich verschiedene Funktionen. Als Enzyme beschleunigen sie die Stoffwechselvorgänge oder schützen als Antikörper beispielsweise vor Giften und Bakterien.

Erbsubstanz und Enzym zugleich

Dieses Bild geriet vor etwas mehr als 20 Jahren ins Wanken. Die amerikanischen Wissenschaftler Sidney Altman und Thomas Robert Cech entdeckten, dass einige RNA-Moleküle auch enzymatische Eigenschaften besitzen. Für die Entdeckung dieser so genannten Ribozyme erhielten die beiden Forscher 1989 den Nobelpreis. Neben den natürlich vorkommenden Ribozymen, von denen bisher nicht allzu viele bekannt sind, gelang es auch künstliche herzustellen.

Mit diesen künstlichen Ribozymen beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Professor Andres Jäschke aus dem Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg seit mehreren Jahren. In ihrer neuesten Publikation im Magazin Nature Structural & Molecular Biology konnten sie erstmals die dreidimensionale Struktur eines künstlichen Ribozyms aufzeigen und darüber hinaus feststellen, an welcher Stelle des Ribozyms enzymatische Prozesse stattfinden.

Die Wissenschaftler um Andres Jäschke isolierten hierfür Ribozyme, welche die Knüpfung von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen durch die so genannte Diels-Alder-Reaktion ermöglichen. „Das größte Problem bei der Bestimmung der Struktur des Ribozyms war, einen genügend großen, homogenen Kristall zu züchten“, erläutert Andres Jäschke die Tücken dieser Forschung. Nachdem dies aber gelungen war, kam Überraschendes zu Tage.

In dem Ribozym befindet sich eine Bindungstasche, in der die Ausgangsstoffe, Anthrazen und N-Pentylmaleimid, zu dem neuen Produkt umgesetzt werden. Die Bindungstasche hat dabei genau die Form des zu bildenden Produkts. Von diesem Produkt existieren aber zwei Varianten, die sich durch die Anordnung des Maleimids an das Anthrazen unterscheiden. Die Form der Bindungstasche in dem Ribozym lässt aber nur eine dieser beiden Varianten zu.

Auch der Vergleich des katalytischen Zentrums des Ribozyms mit dem eines Protein-Enzyms, das eine ähnliche Reaktion katalysiert, ist sehr interessant. Denn bei beiden Enzymen sind die katalytischen Zentren vollkommen ähnlich aufgebaut, obwohl sie aus unterschiedlichen Bausteinen bestehen. „Dies legt ganz ähnliche Katalysemechanismen nahe“, erläutert der Biochemiker Jäschke.

Henne-Ei-Problem gelöst?

Die Entdeckung einer Struktur, in der ein Ribozym zwei Substanzen miteinander verbindet, wirft jedoch auch ein Licht auf eine seit beinahe 20 Jahren in der Wissenschaft heiß diskutierten Frage, die zurückgeht auf den Ursprung des Lebens. Was war zuerst da, DNA oder Protein? Die Informationen, wie die Proteine aufgebaut sind, sind nämlich in der DNA gespeichert. Umgekehrt sind aber Proteine notwendig, um DNA herzustellen.

Einen Ausweg aus dieser, ähnlich der Henne – Ei Problematik wirkenden Frage, sehen viele Wissenschaftler in der RNA. Die Entdeckung der Ribozyme belegte nämlich, dass die RNA in der Lage ist, die Funktion der DNA und der Proteine zu übernehmen. Somit könnte am Beginn des Lebens eine so genannte RNA-Welt existiert haben. Allerdings sollte die RNA dann auch in der Lage sein, größere Moleküle zu synthetisieren.

Die Ergebnisse der Forscher um Andres Jäschke belegen nun, dass die RNA Verbindungen zwischen zwei Kohlenstoffatomen und somit auch größere Moleküle herstellen kann. „Damit ist ein weiterer Mosaikstein für die Existenz einer RNA-Welt gefunden“, fasst Andres Jäschke die Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe zusammen.

(Universität Heidelberg, 24.02.2005 – NPO)

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