Es ist soweit: Die Rote Feuerameise – eine der am meisten gefürchteten invasiven Arten weltweit, ist in Europa angekommen. Auf Sizilien haben Forschende erstmals zahlreiche Nester dieser ursprünglich aus Südamerika stammenden Ameisenart entdeckt. Sie vermuten, dass die Feuerameisen dort schon seit einigen Jahren etabliert sind – und sich nun rasant in andere Teile Europas ausbreiten könnten. Prognosen zufolge wären rund 50 Prozent der europäischen Städte anfällig für eine Ansiedlung der Feuerameisen, wie das Team in „Current Biology“ berichtet.
Die Rote Feuerameise (Solenopsis invicta) ist wegen ihrer Aggressivität berüchtigt: Sie greift Nester anderer Ameisen an, kann nahezu alle Insekten überwältigen und frisst auch Regenwürmer und andere kleinere Tiere. Dadurch dezimieren Kolonien der Feuerameise die Tierwelt in ihrer Umgebung erheblich. Bei uns Menschen verursachen die Bisse und das Gift ihrer Stiche ein starkes Brennen – daher der Name Feuerameise – und können im Extremfall einen anaphylaktischen Schock auslösen.
Gefürchteter Bioinvasor
Hinzu kommt: „Solenopsis invicta ist eine der schlimmsten invasiven Arten weltweit. Sie kann sich alarmierend schnell ausbreiten“, erklärt Erstautor Mattia Menchetti von der Universität Pompeu-Fabra in Barcelona. Ursprünglich in Argentinien heimisch, hat sich diese invasive Ameisenart inzwischen nach Nordamerika, China und Taiwan sowie Australien und Ozeanien ausgebreitet. Ihr Erfolg als Raubinsekt und Bioinvasor hat ihr den Artnamen invicta – die Unbesiegbare – eingetragen.
„Seit Jahrzehnten befürchten Wissenschaftler, dass die Feuerameise auch Europa erreicht“, sagt Menchetti. Denn die invasive Ameisenart wird vor allem durch den weltweiten Schiffsverkehr und den Import von Gütern und Pflanzen in neue Gebiete eingeschleppt. „Die bisherige Abwesenheit dieser Spezies in Europa war daher eine Erleichterung“, so der Forscher.
Feuerameisen-Nester auf Sizilien entdeckt
Doch das ist nun vorbei: Auf Sizilien haben Menchetti und sein Team erstmals Nester der Roten Feuerameise entdeckt. Im Winter 2022/2023 identifizierten sie insgesamt 88 solcher zehn bis 60 Zentimeter hohen Hügelnester in einem 4,7 Hektar großen Gebiet in der Nähe der Stadt Syrakus. Die Nester belegen, dass die invasive Ameisenart in dieser Gegend bereits Kolonien gegründet und sich angesiedelt hat.
„Damit dokumentieren wir zum ersten Mal die Etablierung der Roten Feuerameise in Europa“, berichten die Forschenden. Bei ihren Untersuchungen vor Ort erfuhren sie zudem von Einheimischen, dass es schon seit 2019 vermehrt Berichte über brennende Ameisenbisse gegeben hat. „Das deutet auf eine schon länger bestehende Präsenz von Solenopsis invicta hin, was auch zur großen Zahl der Nester und dem ausgedehnten Befallsgebiet passt“, so Menchetti und seine Kollegen.
Aus China oder den USA eingeschleppt
Wahrscheinlich wurde die Rote Feuerameise über den nahegelegenen Hafen eingeschleppt, wie die Biologen berichten. Dieser liegt nur rund 13 Kilometer entfernt und gehört zu den größten Frachthäfen Siziliens. Menchetti und sein Team gehen davon aus, dass sich die Ameisen von dort aus in weitere, bisher noch unerkannte Bereiche ausgebreitet haben. „Die wahre Ausdehnung des Befallsgebiets ist wahrscheinlich größer als bisher bekannt“, schreiben sie.
Erste Hinweise darauf, woher die eingeschleppten Feuerameisen stammten, erhielten die Forschenden durch DNA-Analysen der auf Sizilien entdeckten Feuerameisen und Vergleiche mit bestehenden Populationen weltweit. „Der identifizierte Haplotyp kommt besonders häufig bei Populationen im Süden der USA, in China und Taiwan vor“, berichten sie. „Diese Regionen sind auch angesichts ihrer Top-Position im weltweiten Handel die wahrscheinlichsten Quellen der Einschleppung.“
Potenzielles Risiko für die Hälfte aller Städte in Europa
Doch was bedeutet dies für den Rest Europas? Um einzuschätzen, wohin und wie weit sich die Roten Feuerameisen von Sizilien aus ausbreiten könnten, nahmen Menchetti und seine Kollegen eine Modellsimulation zu Hilfe. In dieser berücksichtigten sie die Fähigkeit der Ameisenköniginnen, sich mit dem Wind tragen zu lassen, aber auch Handelsrouten und die für diese Ameisenart geeigneten Klimabedingungen.
Das Ergebnis: Unter den aktuellen Bedingungen könnte sich die Feuerameise in rund sieben Prozent des europäischen Kontinents etablieren und ausbreiten. Dazu gehören vor allem küstennahe Gebiete in Südeuropa, aber auch in Großbritannien und entlang des Ärmelkanals. Besonders gefährdet sind darüber hinaus fast 50 Prozent aller größeren europäischen Städte, weil sie wegen ihrer engen Anbindung an den globalen Handel und ihres wärmeren Mikroklimas den Feuerameisen günstige Bedingungen bieten.
„Dies ist besonders besorgniserregend, weil viele dieser Städte, darunter London, Amsterdam und Rom, große Seehäfen besitzen, über die die Ameisen schnell in weitere Länder und Kontinenten gelangen könnten“, sagt Menchettis Kollege Roger Vila. Hinzu kommt, dass der fortschreitende Klimawandel der Feuerameise eine Ausbreitung in heute noch ungeeignete Gebiete Europas erlauben wird. Darunter wären auch Deutschland und die Benelux-Länder.
Wie kann man die Feuerameise bekämpfen?
„Das Problem ist in Europa angekommen“, sagt Menchetti. „Wir brauchen eine koordinierte Aktion und wir brauchen sie jetzt.“ Denn wenn sich die Rote Feuerameise erst einmal in größerem Maße etabliert hat, lässt sich dies kaum rückgängig machen und auch ihre weitere Ausbreitung ist dann nur schwer unter Kontrolle zu bringen. Neuseeland ist es als bisher einzigem Land gelungen, die invasive Ameise nach Einschleppung zumindest vorübergehend wieder auszurotten. In Australien versucht die Regierung zurzeit, das Gebiet um Brisbane von Feuerameisen zu befreien – mit begrenztem Erfolg.
Als Gegenmittel gegen die Rote Feuerameise werden unter anderem Insektizid-bestückte Köder, aber auch parasitische Fliegen eingesetzt. Außerdem soll die Zerstörung von Nestern und ein Einfuhrverbot von Erde, Pflanzen und anderen potenziell ameisenverseuchten Gütern in noch ameisenfreie Gebiete gegen ihre Ausbreitung helfen. Bisher allerdings nur mit geringem Erfolg. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2023.07.036)
Quelle: Cell Press, Spanish National Research Council (CSIC)