Die Technik der künstlichen Befruchtung im Reagenzglas ist heute nahezu perfekt, der Kinderwunsch wird dennoch oft enttäuscht: Nur knapp ein Drittel der künstlich befruchteten Eizellen führen nach dem Einsetzen in die Gebärmutter zur erwünschten Schwangerschaft.
Wissenschaftler der Universität Heidelberg untersuchen jetzt einen Faktor, der bislang eher vernachlässigt wurde: die Bedeutung der Samenflüssigkeit für die Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter. Ergebnisse aus dem Labor sprechen dafür, dass die Schwangerschaftsrate nach künstlicher Befruchtung durch die Behandlung mit einem Extrakt aus der männlichen Samenflüssigkeit gesteigert werden kann. Dies wird derzeit in einer Studie getestet.
Eizellen werden nicht akzeptiert
Warum die Mehrzahl der Einpflanzungsversuche scheitert, ist im Detail nicht bekannt. Ein Teil der Eizellen wird wahrscheinlich von der Gebärmutterschleimhaut nicht „akzeptiert“. „Natürliche Bedingungen“ der Befruchtung, so vermuten die Wissenschaftler, könnten die Einnistung der Eizelle nach In-vitro-Fertilisation fördern.
Eine klinische Studie an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg untersucht derzeit, ob die künstlich befruchtete Eizelle eine größere Chance hat, sich in der Gebärmutter einzunisten, wenn die Gebärmutterschleimhaut mit einem Extrakt aus männlicher Samenflüssigkeit vor der Einnistung behandelt wird. „Wir möchten dadurch die Einbettung des Eis in die Gebärmutter verbessern“, erklärt Professor Thomas Strowitzki von der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie. Dass bei der Einnistung ein kompliziertes Zusammenspiel von Botenstoffen und Zellen der Gebärmutter und des Immunsystems abläuft, zeigen jüngste wissenschaftliche Ergebnisse, auch aus der Heidelberger Klinik.
Bei der Entnahme der Eizellen aus den Eierstöcken wird entweder die Samenflüssigkeit oder eine Kochsalzlösung in die Scheide und in den unteren Teil der Gebärmutter, dem Muttermund, gegeben. Erste Ergebnisse der Studie werden Ende 2005 erwartet.
Samenflüssigkeit spielt aktive Rolle
Schon jetzt gibt es wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür, dass die Samenflüssigkeit eine aktive Rolle bei der Entstehung einer Schwangerschaft spielt. „Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Samenflüssigkeit und überzählige Spermien nichts mit Befruchtung und Einnistung zu tun haben“, berichtet der Mediziner Dr. Michael von Wolff. Denn während der fruchtbaren Phase ist der Schleim im Gebärmutterhals besonders zäh. Zudem wurde angenommen, dass nur ein sehr kleiner Teil des Ejakulats in die Gebärmutterhöhle gelangen kann.
Dagegen sprechen neue Untersuchungen, die einen Einstrom von Substanzen vom Muttermund bis in die Eileiter innerhalb weniger Minuten nachgewiesen haben. Dieser Einstrom scheint durch Muskelbewegungen der Gebärmutter gefördert zu werden.
Ziel: Entwicklung eines Medikaments
Die Samenflüssigkeit enthält eine Vielfalt von Botenstoffen, beispielsweise TGF und Interleukin 8, die das Wachstum von Blutgefäßen fördern und Entzündungsreaktionen oder andere immunologische Reaktionen beeinflussen. In Laboruntersuchungen haben von Wolff und seine Mitarbeiter erstmals festgestellt, dass Samenflüssigkeit die Produktion von sogenannten Zytokinen, sehr aktiven Botenstoffen des Immunsystems, in den Zellen der Gebärmutterschleimhaut reguliert. Diese begünstigen wiederum, wie aus Tierversuchen bekannt ist, die Einnistung der Eizelle.
Auch die klinischen Ergebnisse sprechen für die Schlüsselrolle der Samenflüssigkeit. „Erste Ergebnisse unserer Studie sind vielversprechend. Allerdings müssen noch wesentlich mehr Patientinnen behandelt werden, um eine definitive Aussage über die Wirksamkeit der Behandlung treffen zu können“ berichtet von Wolff und ergänzt: „Unser nächstes Ziel ist die Entwicklung eines Medikaments, dass in die Scheide und den Muttermund gegeben wird und gezielt die Einnistungswahrscheinlichkeit verbessert.“ Dazu werden die Bestandteile der Samenflüssigkeit aufgetrennt, um zu erkennen, welche Substanzen für die Verbesserung der Einnistung wesentlich sind, um sie dann in einem Medikament zusammenzuführen.
(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 24.01.2005 – DLO)