Schon im Erdmittelalter herrschten wahre Giganten über die Ozeane. Einer der frühesten unter ihnen war vor mehr als 240 Millionen Jahren Thalattoarchon saurophagis, ein gewaltiger, mehr als acht Meter langer Meeressaurier. Untersuchungen seines Fossils zeigen, dass diese Urzeit-Echse sogar Beute jagen konnte, die genauso groß war wie sie selbst. Ein mächtiger Kiefer und scharfe Zähne halfen ihm dabei, wie ein internationales Forscherteam jetzt im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichtet.
Entdeckt wurde das Fossil des 8,60 Meter langen Meeressauriers bereits 1997 in einer Gesteinsformation einer abgelegenen Bergkette in der Mitte des US-Bundesstaats Nevada. Damals aber blieb es zunächst an Ort und Stelle. Erst 2008 ist das gewaltige Skelett von einem Paläontologenteam unter Leitung von Nadia Fröbisch vom Naturkundemuseum Berlin ausgegraben und geborgen worden. Drei Wochen lang lösten die Forscher die urzeitlichen Relikte dafür behutsam aus dem Umgebungsgestein und transportierten es mit Helikopter und Lastwagen aus dem Gelände. Seither haben sie das Fossil genauer untersucht.
Wie sich zeigt, ist ein Großteil des Fossils erhalten, darunter fast der komplette Schädel, Teile der Flossen sowie die gesamte Wirbelsäule bis hin zur Schwanzspitze. Erste Untersuchungen zeigen, dass der Meeressaurier einen sehr mächtigen Schädel hatte. Seine Kiefer waren mit großen Zähnen bewehrt, die scharfe Schneidekanten aufwiesen. Mit diesem Gebiss konnte der Saurier andere große Reptilien problemlos packen und zerlegen. Unter anderem deshalb erhielt der Meeressaurier auch seinen Namen: Thalattoarchon saurophagis bedeutet in etwa „saurierfressender Herrscher der Meere“. Nach Ansicht der Forscher stand diese Urzeit-Echse heutigen Meeresräubern wie dem Orca in punkto Jagderfolg und Spitzenplatz in der Nahrungspyramide in nichts nach.
Erster Herrscher der Meere nach der Katastrophe
Das Fossil des Meeresräubers liefert auch einen wertvollen Einblick in die Evolution und Dynamik der Ökosysteme vor 244 Millionen Jahren, wie die Forscher berichten. Denn damals war die Lebenswelt gerade erst dabei, sich vom schlimmsten Massenaussterben der Erdgeschichte zu erholen. Am Übergang vom Zeitalter des Perm zur Trias, vor 250 Millionen Jahren, verschwanden plötzlich zwischen 80 und 96 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten in den Ozeanen der Erde. Wodurch dieser tiefe Einschnitt in Flora und Fauna ausgelöst wurde, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Klar scheint nun aber, dass sich die damaligen Ökosysteme viel schneller von dieser globalen Katastrophe erholten als bisher gedacht. Denn Thalattoarchon saurophagis lebte nur acht Millionen Jahre nach dem Massenaussterben. Die Existenz eines so gewaltigen Meeresräubers so kurz nach der Katastrophe belege, wie rasant die Evolution den gravierenden Einschnitt wieder aufholte. „Jeden Tag lernen wir Neues über die Biodiversität unseres Planeten, sowohl in Hinsicht auf die lebenden als auch die fossilen Arten“ sagt Fröbisch. “Funde wie Thalattoarchon helfen uns, die Dynamik unseres evolvierenden Planeten besser zu verstehen.“
(Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, 08.01.2013 – NPO)