Neue Gifte: Meeressäuger sind nicht nur durch „alte“ Umweltgifte wie PCB belastet, sondern auch durch neue Chemikalien aus Plastik und Kosmetikprodukten. Das belegen Analysen bei gestrandeten Delfinen und Zwergpottwalen. In ihnen fanden die Wissenschaftler unter anderem erhöhte Werte von Triclosan, Atrazin oder Plastikzusatzstoffen wie Bisphenol A. Auch die Schwermetallkonzentrationen waren teils drastisch erhöht.
Ob Schwermetalle oder langlebige organische Schadstoffe aus Pestiziden, Flammschutzmitteln oder anderen menschengemachten Chemikalien: Viele Umweltgifte aus menschlicher Produktion gelangen mit den Flüssen in die Ozeane und reichern sich dort vor allem in Raubfischen und Meeressäugern an. Selbst seit fast 20 Jahren verbotene Schadstoffe wie PCB sind in teils hohen Konzentrationen bei Delfinen und Orcas nachweisbar.
Neue Chemikalien im Meer
Doch neben diesen klassischen langlebigen Umweltgiften werden heute immer mehr Chemikalien aus Plastikmüll sowie neue, bislang nur wenig untersuchte Inhaltsstoffe von Kosmetika, Desinfektionsmitteln oder auch Herbiziden ins Meer gespült. Zu diesen gehören das Pflanzenschutzmittel Atrazin, die Plastikinhaltsstoffe Bisphenol-A, Diethylphthalat (DEP) und Nonylphenolethoxylat (NPE) sowie Triclosan, das beispielsweise in Kosmetikprodukten zu finden ist.
Forscher um Annie Page-Karjian von der Florida Atlantic University haben nun das Vorkommen dieser neuen Giftstoffe sowie von verschiedenen Schwermetallen und essenziellen Spurenelementen in der Fettschicht und in den Organen großer Meeressäuger untersucht. Für die Analyse entnahmen sie Proben von 83 Zahnwalen und Delfinen, die von 2012 bis 2018 an der Südostküste der USA gestrandet waren – darunter ausgewachsene, aber auch einige noch sehr junge Tiere. Insgesamt untersuchten sie elf verschiedene Meeressäuger-Arten.
Zum ersten Mal wurden auch Proben von seltenen Meerestieren wie dem Weißschnauzendelfin und dem Zweizahnwal entnommen. Beide Meerestierarten finden sich nur noch in geringer Zahl in den Ozeanen.
Toxische Höchstwerte
Die Auswertung ergab: Sowohl bei den Delfinen als auch den Zwergpottwalen konnten die Forscher erhöhte Werte der organischen Schadstoffe finden. In der Fettschicht der Delfine erreichte das BPA den höchsten Wert, gefolgt von Triclosan. Bei den Zwergpottwalen konnten die Untersuchungen zeigen, dass das NPE in der höchsten Dosis vorkam. Darauf folgte eine hohe Konzentration des Plastikzusatzstoffs BPA.
Ebenfalls teils stark erhöhte Konzentrationen ergaben die Tests auf Schwermetalle wie Arsen, Blei und Quecksilber. „Verglichen mit anderen Studien waren die Leberwerte für Quecksilber sehr hoch“, berichten Page-Karjian und ihre Kollegen. „Einige extrem hohe Konzentrationen sind vergleichbar mit den höchsten je dokumentierten.“
Anreicherung im Lauf des Lebens
Die Analysen zeigten aber auch, dass die Schadstoffanreicherung vom Alter, Geschlecht und dem Fundort der Meeressäuger abhängt. Beispielsweise hatten Tiere, die in Florida strandeten, im Vergleich zu Artgenossen, die in North Carolina verendeten, einen höheren Gehalt an Quecksilber, Blei und Selen eingelagert. Bei den Delfinen waren die erwachsenen Tiere zudem deutlich stärker belastet als die Jungtiere, wie die Forscher berichten.
„Als langlebige Raubtiere zeigten Delfine mit zunehmendem Alter erhöhte Anreicherungen der Gifte, insbesondere ausgewachsene Männchen“, stellten die Forscher fest. Zusätzlich fanden sie heraus, dass auch über die Schwangerschaft und während der Stillzeit Giftstoffe vom Muttertier zum Nachwuchs gelangen können.
„Wir müssen etwas tun“
„Wir müssen unseren Teil dazu tun, die Menge an Giftstoffen, die in die Meere gelangen, zu reduzieren, denn sie haben große gesundheitliche und ökologische Auswirkungen auf den marinen Lebensraum und uns Menschen“, sagt Page-Karjian. „Die Chemikalien reichern sich im Laufe der Nahrungskette immer weiter an und je höher sie kommen, desto höher konzentriert sind sie.“
So landen diese Schadstoffe früher oder später nicht nur in den Mägen der großen Meeresräuber, sondern gelangen über den Verzehr von Speisefischen und Krabben auch zum Menschen. (Frontiers in Marine Science, 2020; doi: 10.3389/fmars.2020.00630)
Quelle: Florida Atlantic University