Die Produktion krebserregender Giftstoffe bei Schimmelpilzen wird durch einen lichtempfindlichen Eiweiß-Komplex der Zellen gesteuert. Dabei ist die Produktion von Toxinen an sexuelle Entwicklungsprozesse der Pilze gekoppelt, die in erster Linie in der Dunkelheit ablaufen. Was dabei im Detail passiert, hat jetzt ein internationales Forscherteam herausgefunden.
Im Rahmen der Entschlüsselung des molekularen Mechanismus der Koppelung von Toxinproduktion und Pilzentwicklung bei Aspergillen isolierten die Wissenschaftler den so genannten Velvet-Komplex, der im Dunkeln aktiv ist und durch Lichteinwirkung auseinanderfällt. Die neuen Erkenntnisse könnten für die weitere Erforschung von Schimmelpilzen unter pharmazeutischen Aspekten von großer Bedeutung sein, so die Forscher um Professor Gerhard Braus von der Universität Göttingen zusammen mit amerikanischen Kollegen von der Universität von Wisconsin-Madison im Wissenschaftsmagazin „Science“.
„Gießkannenschimmel“ im Visier
Lebensrettende Antibiotika oder krebserregende Giftstoffe – Schimmelpilze produzieren Freunde und Feinde für die Gesundheit des Menschen. Das Göttinger Wissenschaftlerteam hat für seine Forschungen den genetisch gut manipulierbaren Pilz Aspergillus nidulans ausgewählt – die Aspergillen werden wegen ihrer Form auch „Gießkannenschimmel“ genannt. A. nidulans produziert unter Ausschluss von Licht vermehrt den toxischen Stoff Sterigmatocystin. Dieser Giftstoff gehört zu den Aflatoxinen, die als die am stärksten krebserregenden Substanzen auf der Erde gelten.
Im Dunkeln durchläuft der im Boden lebende Schimmelpilz gleichzeitig den sexuellen Entwicklungszyklus, was zur Bildung von Fruchtkörpern für die Fortpflanzung führt. Unter Lichteinfluss werden dagegen asexuelle Sporen und weniger Toxin produziert. Wie Toxinproduktion und Pilzentwicklung miteinander gekoppelt sind, war bislang unbekannt. Das Team um Braus hat nun aufgeklärt, wie diese unterschiedlichen zellulären Prozesse durch Licht synchronisiert werden.
Velvet-Protein als Schlüssel
Die Wissenschaftler haben dazu einen besonderen Eiweiß-Bestandteil der Zelle, das Velvet- oder auch „Samt“-Protein, gentechnisch so mit einer Markierung versehen, dass damit gleichzeitig Interaktionspartner dieses Proteins „gereinigt“ und identifiziert werden konnten. Mit dem Wechselspiel dieser Komponenten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das Velvet-Protein im Dunkeln jeweils einen zentralen Regulator der Toxinproduktion und der sexuellen Entwicklung im Zellkern des Pilzes wie eine Brücke zu einem aktiven Komplex verbindet.
Licht verhindert im Gegenzug, dass das Protein in den Kern eindringen kann und unterbindet damit die Komplexbildung. „Fehlt das Velvet-Protein vollständig, dann zeigen die Pilzkolonien der Aspergillen ein samtähnliches Aussehen, können nicht mehr zwischen Licht und Dunkelheit unterscheiden und produzieren kaum Toxin“, erläutert Braus.
Viele Anwendungsmöglichkeiten
„Da Pilze eine Vielzahl biologischer Wirkstoffe produzieren, ist das Verständnis dieser Zusammenhänge eine wichtige Voraussetzung, um diese Pilzprodukte für Anwendungen in Medizin und Pharmazie nutzbar zu machen“, betont der Wissenschaftler vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Georg-August-Universität.
(idw – Universität Göttingen, 13.06.2008 – DLO)