Das passende Werkzeug zur richtigen Gelegenheit: Schimpansen gehen bei der Auswahl ihrer Werkzeuge zum Nüsseknacken durchaus mit Bedacht vor. So bevorzugen sie normalerweise harte und schwere Steine, wählen aber bei längeren Transportwegen eher leichtes Werkzeug, berichtet ein internationales Forscherteam. Dies verdeutlicht die komplexen kognitiven Fähigkeiten, die unsere nächsten Verwandten besitzen.
Dass Schimpansen regelmäßig Werkzeuge benutzen und beispielweise mit Stöcken Termitenhügel aufbrechen, ist schon lange bekannt. Seit fast 30 Jahren wissen Forscher auch, dass manche Populationen dieser nächsten Verwandten des Menschen auch Nüsse knacken: Sie legen die Nuss auf einen Stein, eine harte Wurzel oder den Ast eines Baumes, die als „Amboss“ dienen, und schlagen mit einem Stück Holz oder einem Stein, dem „Hammer“, darauf.
Passendes Werkzeug bringt Überlebensvorteile
Nur wenig erforscht war bislang, wie sehr die Schimpansen diesen Werkzeuggebrauch optimieren, oder ob sie einfach das nächstbeste Stück Holz oder den nächstliegenden Stein wählen. „Auf dem Boden eines tropischen Regenwaldes befinden sich Holzstöcke und Steine, die sich in Größe, Gewicht und Härtegrad unterscheiden“, erklärt Giulia Sirianni vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Nicht alle davon seien aber gleichermaßen gut geeignet, um Nüsse schnell und effektiv zu knacken. „Wenn sie Zeit und Energie sparen, können sich einzelne Tiere aber einen Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil verschaffen.“
Sirianni und ihre Kollegen beobachteten fünf freilebende Schimpansenweibchen im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste bei zwei Feldforschungsaufenthalten von jeweils fünf Monaten, täglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Hatte ein Schimpanse einen Hammer aufgehoben und benutzt, markierten die Forscher den Ort mit Plastikband und speicherten die GPS-Koordinaten ab.
Schimpansen berücksichtigen mehrere Variablen
Am nächsten Tag untersuchten sie die Nussknackstelle genauer: Welche möglichen Hämmer waren dort verfügbar? Wie weit waren sie vom Amboss entfernt? „So konnten wir mit Hilfe von statistischen Modellen untersuchen, was den gewählten Hammer im Vergleich zu allen nicht gewählten Hämmern auszeichnete, was uns wiederum Aufschluss über die Auswahlkriterien der Schimpansen gab“, sagt Sirianni.
Dabei zeigte sich, dass die Schimpansen die Tauglichkeit eines potenziellen Werkzeugs durchaus einschätzen können. Dabei berücksichtigen sie gleich mehrere Variablen gleichzeitig: Welches Gewicht sie bei einem Hammer bevorzugten, hing dabei vom Härtegrad des Hammers, dem Transportweg und dem Ort ab, an dem sich der Amboss befand, ob am Boden oder auf einem Baum. Holzstücke sind im Wald zwar wesentlich leichter zu finden, die Schimpansen bevorzugen dennoch generell härtere Steine. Sind diese nicht verfügbar, wählen sie lieber harte als weiche Holzsorten.
Schweres Gerät oder leichter Transport?
Steine sind wesentlich kleiner und handlicher als ein Stück Holz mit dem gleichen Gewicht, so dass sich auch ein schwerer Brocken noch als Hammer verwenden lässt – bei Steinhämmern bevorzugen die Schimpansen schweres Werkzeug. Über längere Strecken oder gar auf einen Baum hinauf schleppen die Affen Steine jedoch offenbar nur ungern: Bei längeren Transportwegen oder wenn sie auf einem Ast sitzend Nüsse knackten, entscheiden sich die Tiere für einen leichteren Nussknacker.
Die letzten beiden Beispiele zeigen, dass Schimpansen Transportwege und die Stabilität der Nussknackstelle berücksichtigen, wenn sie ein Werkzeug auswählen – sie planen also voraus. Die große Anzahl der berücksichtigten Faktoren und Beziehungen zwischen ihnen verdeutlicht, dass der Werkzeuggebrauch hoher kognitiver Fähigkeiten bedarf. Eine so komplexe Leistung wie das Nüsseknacken könnte bei der Evolution solcher Fähigkeiten in unserer Abstammungslinie eine Rolle gespielt haben, spekulieren die Forscher.
„Lange Zeit ging man davon aus, dass nur Menschen Werkzeug gebrauchen“, sagt Sirianni. Doch auch Tiere, besonders Schimpansen, optimieren so ihre Nahrungssuche. „Jetzt wissen wir, dass andere Arten dies auch tun und dass unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, ihr Werkzeug auf schlaue Art und Weise und abhängig von der jeweils anstehenden Aufgabe auswählen.“
(Max-Planck-Gesellschaft, 14.01.2015 – AKR)