Zoologie

Schimpansenmütter mit Söhnen sind geselliger

Erwachsene zu beobachten hilft Jungen beim Einstieg in das Sozialgefüge der Gruppe

Alpha-Männchen Goliath zusammen mit einem jungen Schimpansen, rechts davon ein Weibchen mit männlichem Jungtier. © the Jane Goodall Institute / Hugo van Lawick

Die Erziehung macht’s – auch bei Schimpansen: Die Affenmütter fördern das Sozialleben ihrer Söhne aktiv und mit Risiko für sich selbst, ihren Töchtern leben sie dagegen eher soziale Zurückhaltung vor. Das zeigen Beobachtungen im Gombe-Nationalpark in Tansania. Die Schimpansenmütter bereiten ihren Nachwuchs so vermutlich bereits frühzeitig auf die herrschenden Sozialstrukturen vor, berichten US-Forscher im Magazin „Proceedings of the National Acadamy of Sciences“.

Im komplexen Sozialverhalten der Schimpansen spielt die Rangordnung eine große Rolle. Das ranghöchste Männchen übernimmt die Führungsposition einer Gruppe, die anderen Gruppenmitglieder kämpfen ständig darum, ihren Status zu verbessern. Dabei gehen die Männchen alles andere als zimperlich vor und schrecken mitunter auch nicht davor zurück, den Nachwuchs andere Männchen zu töten, so dass sie sich selbst mit der Mutter paaren können. Besonders rangniedrigeren Weibchen droht diese Gefahr. Es läge also nahe, dass die Mütter junger Schimpansen sich gerade dann von Gruppen fern halten, wenn ein aggressives Männchen in der Nähe ist.

Geselligkeit bringt Risiko

Überraschenderweise gehen Schimpansenmütter dieses Risiko jedoch ein – zumindest, wenn ihr Nachwuchs männlich ist. Carson Murray von der George Washington University und seine Kollegen haben herausgefunden, dass sich das Verhalten der Schimpansenmütter stark unterscheidet, je nachdem ob sie einen Jungen oder ein Mädchen großziehen. Dies zeigen Beobachtungen der Schimpansen im Gombe-Nationalpark in Tansania, die bis in die 1960er Jahren zurück reichen.

Die Wissenschaftler analysierten anhand dieser Aufzeichnungen, wie viel Zeit Schimpansenmütter mit anderen Erwachsenen verbrachten, die keine direkten Verwandten sind. Außerdem bewerteten sie, wie groß die Gruppen waren, in denen die Mütter sich aufhielten, und wie sie zusammengesetzt waren, sowie die Zeit, die sie in gemischt-geschlechtlichen oder rein weiblichen Gruppen verbrachten.

Schimpansenmutter (oben rechts) mit zweijährigem Sohn (links) und einem ausgewachsenen Männchen. © Ian Gilby, Arizona State University

Zwei Stunden mehr Sozialleben am Tag

Dabei zeigte sich: Mütter mit Nachwuchs – egal welchen Geschlechts – verbringen einen großen Teil ihrer Zeit allein oder mit ihren eigenen, bereits ausgewachsenen Töchtern. Dies geschieht wahrscheinlich, um die jungen Schimpansen vor aggressiven Artgenossen zu schützen. Die verbleibende Zeit verbringen die Mütter dennoch in Gesellschaft anderer Schimpansen, und hier zeigen sich Unterschiede in ihrem Verhalten: Weibchen mit Söhnen verbrachten der Studie nach pro Tag rund zwei Stunden mehr mit anderen Schimpansen und gesellten sich häufiger zu ihren Verwandten als Mütter, die eine Tochter großzogen. Auch in gemischt-geschlechtlichen Gruppen hielten sie sich während der ersten sechs Monate im Leben ihrer Kinder deutlich häufiger auf.

Durch den langen Beobachtungszeitraum können die Wissenschaftler auch ausschließen, dass es lediglich individuelle Unterschiede im Verhalten einzelner Schimpansinnen sind: Dieselbe Mutter verhielt sich unterschiedlich, je nachdem, ob sie sich um männlichen oder weiblichen Nachwuchs kümmerte.

Die Forscher nehmen an, dass die Mütter ihre Söhne so auf das Gruppenleben vorbereiten: Sie geben den jungen Männchen bereits Gelegenheit, die Sozialstrukturen der Schimpansen zu beobachten. „Mütter mit jungen Töchtern vermeiden nach Möglichkeit stressige und kompetitive Situationen“, fasst Murray zusammen, „während Mütter mit Söhnen solche Situationen in Kauf nehmen, um im Gegenzug ihre Söhne in das soziale Gefüge zu integrieren.“

Mütter erweitern Sozialkontakte – auch beim Menschen?

Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich, wenn die jungen Schimpansen älter werden: Im Alter von 30 bis 36 Monaten gehen Schimpansenkinder selbstständig auf Erkundungstour anstatt von ihrer Mutter getragen zu werden. Dabei entfernen sie sich auch aus dem Einflussbereich der Mutter. Das unterschiedliche Verhalten der Mutter wirkt sich nun aus: Junge Männchen interagieren häufiger mit anderen Erwachsenen außerhalb ihrer eigenen Familie, besonders mit erwachsenen Männchen. Junge Weibchen sind dagegen deutlich zurückhaltendender.

Mit zunehmendem Alter setzt sich dieses Verhalten fort: Die Männchen haben im Lauf des Tages mehr soziale Interaktionen, die Jungen beobachten die Erwachsenen und imitieren oft deren Verhalten. „Die Mütter erweitern offensichtlich die Sozialkontakte ihres männlichen Nachwuchses“, sagt Murray. „Diese Erkenntnis weckt die übergeordnete Frage, inwiefern umfangreichere Sozialkontakte geschlechtsspezifisches Verhalten auch beim Menschen formen.“

(PNAS, 2014; doi: 10.1073/pnas.1409507111)

(Duke University, Durham, 25.11.2014 – AKR)

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