Biologie

Schlange fliegt – mit Ufo-Trick

Die Verformung ihres Körpers verleiht der Schmuckbaumnatter Auftrieb für ihren Segelflug

Die Schmuckbaumnatter Chrysopelea paradisi im Flug © John Socha

Einige Schlangen können fliegen: Schmuckbaumnattern segeln von Bäumen aus bis zu 30 Meter weit durch die Luft. Was diesen Giftschlangen dabei ihren Auftrieb verleiht, das haben US-Forscher jetzt genauer untersucht. Eine der Flugstrategien der Schlangen: Sie verformen ihren rundlichen Körper so, dass er im Querschnitt einem Ufo ähnelt. Allerdings: Ganz kann selbst dieser raffinierte Trick die Flugfähigkeit der Reptilien nicht erklären.

Die fünf bisher bekannten „fliegenden“ Schlangenarten gehören alle zu den Schmuckbaumnattern (Chrysopelea), die im tropischen Regenwald Südostasiens verbreitet sind. Dort lauern die rund einen Meter langen Reptilien auf Bäumen, bis sie eine lohnende Beute gesichtet haben. Dann geht alles ganz schnell: Sie werfen sich in die Luft und gleiten dann bis zu 30 Meter weit auf ihre Beute zu. Dabei führen sie seitliche Schlängelbewegungen durch als würden sie ganz normal auf der Erde kriechen.

Bessere Aerodynamik durch Ufo-Form

Aber das ist nicht alles, was die Schlange im Flug tut, wie John Socha von der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg und seine Kollegen schon vor einigen Jahren herausfanden. „Sie verwandeln ihren gesamten Körper in eine aerodynamische Oberfläche“, erklärt der Forscher. Sobald die Schlange in der Luft ist, spreizt sie ihre Rippen und verändert dadurch ihren normalerweise rundlichen Querschnitt. Die Oberseite wölbt sich fast dreieckig auf, während die Unterseite flach und sogar leicht konkav wird und von zwei vorstehenden Wülsten begrenzt wird.

Schmuckbaumnattern im Flugtest© John Socha

„Das sieht ein bisschen so aus wie ein Ufo“, so Socha. Wie der Forscher erklärt, erzeugt die Kombination von Schlängeln und Körperverformung einen Gleiter mit völlig anderen Symmetrien als alle bekannten natürlichen oder künstlichen Flugobjekte. Entsprechend unklar war bisher, wie genau diese Anpassungen der Schlange dabei helfen, Auftrieb fürs Gleiten zu erzeugen. Klar ist nur: Es ist effektiv. Das Reptil kann die Weite seines Fluges offenbar steuern und dreht und wendet sogar dabei.

Schlangenmodell im Strömungstank

Um das zu klären, haben Socha und seine Kollegen das Gleitverhalten der Schmuckbaumnatter Chryopelea paradisi genauer unter die Lupe genommen. Sie ist der beste Gleiter und der fünf „fliegenden“ Schlangenarten. Als Studienobjekt diente aber nicht die Schlange selbst, sondern ein dreidimensionales Modell von ihr, das die Forscher mit Hilfe eines 3D-Druckers aus Plastik herstellten.

Tauchten sie dieses Modell in einen speziellen Strömungstank mit Wasser ein, konnten sie den Auftrieb verschiedener Winkel und Formen messen, aber auch die Wirbel sichtbar machen, die für den Auftrieb sorgen. „Dies ist die erste Studie, die die aerodynamische Leistung der Schlange auf diese Weise erforscht und die prüft, ob ihre Form alleine ausreicht, um ihr Gleiten zu ermöglichen“, sagen die Forscher.

In einem ersten Experiment prüften Socha und seine Kollegen, ob das Schlangenmodell auch mit einer flachen Unterseite ohne die seitlichen Wülste genügend Auftrieb erzeugen würde. Doch das war nicht der Fall: „Wurde die bauchseitige Höhlung ausgefüllt, sank der Auftrieb stark ab“, so Socha. Das deutet darauf hin, dass die Ufo-Form der Schlange eine wichtige Rolle für ihre Gleitfähigkeit spielt.

Boost bei optimalem Gleitwinkel

Als nächstes testeten die Forscher, wie sich die Körperhaltung und der Flugwinkel der Schlange auswirken. Wie sich zeigte, erzeugt die ungewöhnliche Körperform der Schlange in den meisten Flugwinkeln ausreichend Auftrieb. Das ermöglicht es ihr, über weite Strecken zu gleiten und dabei ihren Anflugswinkel flexibel an die Position ihrer Beute anzupassen, ohne dass sie einen plötzlichen Strömungsabriss befürchten muss, wie die Wissenschaftler erklären.

Einen wahren Boost aber erfährt die Schmuckbaumnatter, wenn sie ihren Körper in einem Winkel von rund 35 Grad hält: Ihr Auftriebsbeiwert steigt dann plötzlich steil bis auf 1,9 an – das ist mehr als ein Airbus 380 beim Start. Wirbel unter ihrem Körper tragen sie dann fast wie auf einem Luftkissen. „Will die Schlange besonders weit fliegen, sollte sie daher ihren Körper in diesen optimalen Winkel bringen“, so Socha und seine Kollegen. Tatsächlich zeigen Beobachtungen und Videoaufnahmen, dass die Schmuckbaumnattern sich diesem Optimum bei ihren Flügen stark annähern. Bewegen sie dann im Flug ihren Körper und verändern den Winkel, können sie so steuern, wie weit und wie steil sie fliegen.

Ein Rätsel bleibt

Das Geheimnis der fliegenden Schlangen ist damit aber trotzdem nur zum Teil gelüftet, wie Socha erklärt. Denn wenn man die aerodynamischen Kennwerte für die lebenden Schlangen kalkuliert, dann schneiden sie noch ein bisschen besser ab als das 3D-Modell im Labor. „Das gibt uns einen Hinweis darauf, dass dieses Tier in der Luft noch irgendetwas anderes tut – etwas, das wir mit unserem Modell nicht einfangen konnten“, sagt der Forscher. Worum es sich dabei handelt, das wollen Socha und seine Kollegen nun als nächstes herausfinden. (Journal of Experimental Biology, 2014; doi: 10.1242/jeb.090902)

(Company of Biologists, 30.01.2014 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Schriftzeichen

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Erstes Porträt eines extragalaktischen Sterns

Baby-Säbelzahnkatze im Permafrost entdeckt

Auch erwachsene Schimpansen spielen noch miteinander

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Fantastisches Tierreich - Zwischen Legende und Wirklichkeit von John Downer

Tierisch! - Expedition an den Rand der Schöpfung von Dirk Steffens

Gipfel des Unwahrscheinlichen - Wunder der Evolution von Richard Dawkins

Top-Clicks der Woche