Neurobiologie

Schöne Gesichter vergessen wir schneller

Wenn sie nicht gerade besonders markant sind, bleiben attraktive Gesichter schlecht im Gedächtnis

Was muss ein Gesicht haben, damit wir uns erinnern? © SXC

Besonders markante und außergewöhnliche Gesichter können wir uns gut merken. Doch wie sieht es mit Gesichtern aus, die weniger auffällig sind? Erinnern wir uns dann besser an die attraktiven oder an die unattraktiven unter ihnen? Psychologen aus Jena fanden heraus: Es sind die unattraktiven Gesichter, die uns im Gedächtnis bleiben.

Tagtäglich begegnen uns neue Gesichter. Auf der Straße, im Supermarkt, im Bus. Kurz nur betrachten wir diese. An einige davon können wir uns sehr gut erinnern, andere wiederum verblassen in unserer Erinnerung sehr schnell. Wie entscheiden wir, an wen wir uns erinnern und an wen nicht? Welche Merkmale lassen unser Gehirn entscheiden: Gesicht merken oder vergessen?

Attraktivität – was ist das eigentlich?

Wenn Gesichter sehr symmetrisch und eher durchschnittlich sind, dann empfinden wir sie instinktiv als attraktiv. Das allein ist es aber noch nicht, wie Studien belegen. Besonders anziehend wirkt ein Gesicht erst dann auf uns, wenn wir in ihm etwas Außergewöhnliches, wie große Augen oder einen markanten Mund entdecken. Und genau das sind die Gesichter, die uns lange im Gedächtnis bleiben.

„Zum einen empfinden wir sehr symmetrische und eher durchschnittliche Gesichter als attraktiv“, erklärt Holger Wiese von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Zum anderen zeichnen sich als besonders anziehend empfundene Menschen häufig durch zusätzliche Merkmale aus, die sie wiederum vom Durchschnitt abheben.“ Neben Attraktivität garantieren diese Merkmale, wie große Augen oder ein markanter Mund, auch einen hohen Wiedererkennungswert.

Testpersonen prägen sich Gesichter ein und entscheiden später, ob sie diese wiedererkennen. © Jan-Peter Kasper/FSU

Der Gesichter-Gedächtnistest

Was bislang jedoch noch völlig unklar war: Wie sieht es mit weniger markanten Gesichtern aus? Erinnern wir uns besser an die attraktiven oder die unattraktiven unter ihnen? Dieser Frage nahmen sich Wiese und seine Kollegen an. In ihrem Experiment zeigten sie Testpersonen Fotos verschiedener Gesichter. Darunter sowohl attraktive als auch unattraktive. Alle Gesichter jedoch waren gleichermaßen markant.

Wenige Sekunden nur konnten die Probanden die Gesichter betrachten. Später bekamen sie diese und darüber hinaus auch noch andere Fotos gezeigt. Sie mussten nun angeben, ob sie das gezeigte Gesicht schon einmal gesehen hatten oder nicht. Anhand zeitgleich durchgeführter EEG-Aufnahmen identifizierten die Forscher zudem die Hirnareale, die dabei eine Rolle spielen.

Vergessene Schönheit

Das Ergebnis hat die Forscher überrascht: „Bisher gingen wir davon aus, dass es generell leichter sei, sich als attraktiv empfundene Gesichter einzuprägen“, so Wiese, „einfach weil wir schöne Gesichter lieber betrachten.“ Die Studie zeigte jedoch, dass dieser Zusammenhang so nicht besteht. Es sind nicht die attraktiven Gesichter, an die wir uns besonders gut erinnern. Ganz im Gegenteil: es sind die unattraktiven.

Aber warum ist das so? Einen Hinweis darauf gaben die EEG-Aufzeichnungen der Forscher. Sie zeigten, dass ein mit Emotionen verknüpftes Zentrum im Gehirn der Probanden beim Merken der attraktiven Gesichter aktiver war als bei den unattraktiven. Die Forscher schließen daraus, dass die Betrachtung eines schönen Gesichtes unser Emotionszentrum im Gehirn anregt. Dadurch wird der Lernprozess gestört.

Die eingebildete Wiedererkennung attraktiver Gesichter

Zusätzlich stellten die Wissenschaftler einen interessanten Nebenaspekt fest: Im Fall von attraktiven Gesichtern haben sie deutlich mehr falschpositive Ergebnisse ermittelt. Das heißt, die Probanden gaben in der Testphase an, ein Gesicht zu kennen, obwohl sie es zuvor noch nicht gesehen hatten.

„Offensichtlich neigen wir gelegentlich dazu zu glauben, dass wir ein Gesicht wiedererkennen, einfach weil wir es attraktiv finden“, vermutet Wiese. Obwohl wir schöne Gesichter besonders schlecht im Gedächtnis behalten können, so wollen wir dies nicht wirklich glauben. Beim Betrachten eines solchen Gesichtes denken wir daher oft: „Die oder den habe ich doch schon irgendwo gesehen…“ (Neuropsychologia, 2014; doi: 10.1016/j.neuropsychologia.2013.12.023)

(Universität Jena, 06.02.2014 – KEL)

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