Kakao macht Wasserschnecken schlauer: Wird ihr Wasser mit einem bestimmten Inhaltsstoff aus dem Genussmittel angereichert, verbessert sich ihr Gedächtnis. Das hat jetzt ein kanadisches Forscherteam gezeigt. Die Substanz namens Epicatechin, die zu den Flavonoiden gehört und auch in grünem Tee und Rotwein zu finden ist, steht schon länger im Verdacht, auch beim Menschen die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu erhöhen. Allerdings seien die bisherigen Studien zu diesem Thema nicht ganz eindeutig gewesen, erläutern die Forscher. Die neuen Ergebnisse stützten nun jedoch die These, Kakao und dunkle Schokolade würden sich positiv auf das menschliche Gedächtnis auswirken, schreiben Lee Fruson von der University of Calgary und seine Kollegen im Fachblatt „Journal of Experimental Biology“.
Dunkler Schokolade mit hohem Kakaoanteil wurden bereits verschiedene gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben: Sie verbessere die Durchblutung, senke den Cholesterinspiegel und den Blutdruck, verlangsame die Alterung und verbessere Gedächtnis und geistige Leistungsfähigkeit. Meist werden dafür die sekundären Pflanzenstoffe verantwortlich gemacht, zu denen unter anderem das Epicatechin gehört. Allerdings sind die meisten der Studien, die bisher zu diesem Thema gemacht wurden, in Zusammenarbeit mit Lebensmittelkonzernen entstanden und daher möglicherweise nicht ganz objektiv. Zudem sei es schwierig, die Wirkung eines einzigen Nahrungsmittels auf ein so komplex reguliertes System wie das menschliche Gedächtnis von der anderer Einflussfaktoren zu trennen, erläutern die Forscher.
Daher konzentrierten sich die Forscher bei ihrer Arbeit auf die Spitzhornschnecke Lymnaea stagnalis, die in Tümpeln, Seen und Flüssen lebt. Sie eignet sich nach Angaben der Wissenschaftler sehr gut dazu, grundlegende Gedächtnisprozesse zu untersuchen, denn sie ist in der Lage, einfache Zusammenhänge zu erlernen. In der aktuellen Studie senkten die Forscher dazu gezielt den Sauerstoffgehalt im Teichwasser, in dem die Schnecken gehalten wurden. Wenn die Tiere dann an die Oberfläche schwammen und begannen, ihre Atemöffnung zu öffnen, stupsten die Forscher sie jedes Mal mit einem spitzen Stab an. Als Reaktion darauf schlossen die Schnecken die Atemöffnung wieder. Mit der Zeit lernen sie schließlich, die Öffnung trotz des niedrigeren Sauerstoffgehalts im Wasser geschlossen zu halten.
Länger erinnern und weniger vergessen dank Epicatechin
Wie lange dieser Lerneffekt anhält, hänge von der Intensität des Trainings ab, erläutert das Team. Eine halbe Stunde Training wirkt im Allgemeinen etwa drei Stunden nach, danach haben die Schnecken die Konditionierung vergessen. Das ändert sich jedoch, wenn ihr Wasser mit Epicatechin versetzt wird, wie die Forscher zeigen konnten: Bei einer Konzentration von 15 Milligramm Epicatechin pro Liter Wasser hielten die Erinnerungen mehr als 24 Stunden vor. Zwei Trainingseinheiten blieben sogar für über drei Tage haften. Zudem blieben die Erinnerungen nicht nur länger erhalten, sie prägten sich auch stärker ein, zeigten weitere Experimente.
Die Epicatechin-Menge entsprach umgerechnet in etwa der, die ein Mensch bei einem normalen Schokoladen- und Weinkonsum zu sich nehme, schreiben die Wissenschaftler. Wie genau die Substanz allerdings das Gedächtnis beeinflusst, sei bislang unklar. Offenbar wirke sie direkt auf die Nervenzellen im Zentralen Nervensystem der Schnecken ein. Möglicherweise schützt sie die Neuronen dank ihrer antioxidativen Wirkung vor Schäden durch die sogenannten freien Radikale, möglicherweise beschleunigt sie aber auch molekulare Vorgänge bei der Erinnerungsbildung. Diese Frage wollen die Forscher als nächstes untersuchen. (doi: 10.1242/jeb.010300)
(The Company of Biologists / Journal of Experimental Biology, 28.09.2012 – ILB)