Evolution

Schon Urvögel waren Blätterfresser

120 Millionen Jahre altes Jeholornis-Fossil bezeugt Ernährungsumstellung in der Kreidezeit

Jeholornis
Jeholornis fraß einst die Blätter von magnolienähnlichen Bäumen. © IVPP

Ein Vogel im Magnolienbaum: Der Urvogel Jeholornis weidete bereits vor 120 Millionen Jahren Blätter von Bäumen ab und ist damit der älteste bekannte Vogel mit einer solchen Ernährungsweise, wie Paläontologen herausgefunden haben. Konkret konnten sie in seinem Magen die Überreste von Magnoliiden-Blättern nachweisen, einer Baumgruppe, zu der auch heutige Magnolienbäume gehören. Der außergewöhnliche Fund bezeugt, dass sich einige Vögel schon sehr früh in ihrer Evolution von reinen Fleisch- zu baumlebenden Pflanzenfressern gewandelt hatten.

Vögel und Blütenpflanzen eint eine enge Bindung. Die Vögel fressen die Früchte der Bäume, scheiden ihre unverdaulichen Samen andernorts wieder aus und helfen der Pflanze so dabei, sich auszubreiten. Manche Vögel wie die Kolibris arbeiten sogar als Bestäuber, indem sie Pollen von Blüte zu Blüte tragen. Die Pflanzen wiederum „belohnen“ die Vögel für ihre Dienste mit süßen, nährstoffreichen Früchten – eine Win-Win-Situation.

Dieses Geben und Nehmen zwischen Pflanze und Vogel besteht bereits seit der frühen Kreidezeit, wie Paläontologen erst kürzlich herausgefunden haben. Im Magen des Urvogels Jeholornis hatten sie die Überreste von Früchten und Samen entdeckt.

Fossil und Phytolithen
Das Jeholornis-Fossil samt der daraus extrahierten Phytolithen (obere Reihe im blauen Quadrat). Die untere Reihe zeigt Phytolithen heutiger, verwandter Bäume. © IVPP

Spurensuche im Jeholornis-Magen

Jetzt hat der Mageninhalt eines 120 Millionen Jahren alten Jeholornis aus China erneut für spektakuläre Einblicke in die Welt der ersten Vögel gesorgt. Dieser fasanengroße Urvogel lebte einst in den frühkreidezeitlichen Wäldern im Nordosten Chinas. So wie heutige Vögel war er bereits mit Flügeln und Federn ausgestattet, gleichzeitig besaß er noch einige dinosaurierartige Merkmale, darunter einen bezahnten Schnabel und einen langen knöchernen Schwanz wie Velociraptor und Co.

Um mehr über das Leben und den Speiseplan von Jeholornis herauszufinden, haben Paläontologen um Yan Wu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften den versteinerten Mageninhalt des Urvogels erstmals auf sogenannte Phytolithen hin untersucht – mikroskopisch kleine Kieselsäurepartikel, die von Pflanzen in und zwischen ihren Zellen gebildet werden. Deren Anwesenheit im Magen eines fossilen Tieres gilt als direkter Beweis dafür, dass es sich einst von Pflanzenmaterial ernährt hat. Die Form und Größe der Phytolithen verrät sogar, welche Pflanzen und Pflanzenteile genau auf dem Speiseplan standen.

Hoatzin
Der Unterkiefer des blattfressenden südamerikanischen Hoatzins ist dem des Jeholornis äußerst ähnlich. © Linda De Volder /CC-by-sa 3.0

Buffet im Magnolienbaum

Tatsächlich konnten Wu und seine Kollegen im Magen des Jeholornis insgesamt 418 Phytolithen nachweisen. Der Urvogel ernährte sich demnach eindeutig von Pflanzenteilen und im Spezifischen von Blättern. Dies ist damit der älteste Nachweis für das Blätterfressen unter Vögeln, wie die Paläontologen berichten.

Das untermauern auch vergleichende Schädelanalysen mit modernen pflanzenfressenden Vögeln, die sie zusätzlich durchgeführt haben. Demnach zeigt der Unterkiefer von Jeholornis ähnliche Anpassungen an das Pflanzenfressen wie der des modernen Hoatzins, eines südamerikanischen Vogels, dessen Nahrung zu vier Fünfteln aus Blättern besteht.

Wu und sein Team konnten außerdem ermitteln, von welchen Blättern sich Jeholornis einst ernährte. „Nach einem Vergleich mit über 4.000 Arten moderner Phytolithen können wir feststellen, dass die meisten der im Magen identifizierbaren fossilen Phytolithen von Magnoliiden-Blättern stammen“, berichtet Wu. Die Magnoliiden sind eine Gruppe von Blütenpflanzen, zu denen unter anderem moderne Magnolien-, Zimt- und Avocadobäume gehören.

Pflanze und Vogel: Schon in der Kreidezeit ein starkes Team

Diese neuen Erkenntnisse zur Ernährung von Jeholornis bestätigen die Annahme, dass sich einige Vögel schon sehr früh in ihrer Evolution von ihren fleischfressenden Ursprüngen abgewandt und zu pflanzenfressenden Baumbewohnern entwickelt hatten – mit Folgen für die Evolution von Vogel und Pflanze.

„Wie wir anhand des ausgestorbenen, vegetarischen, baumlebenden Jeholornis sehen können, ist die Evolution der Vögel seit über 100 Millionen Jahren mit Blütenpflanzen verbunden“, erklärt Wus Kollege Thomas Stidham. Die Blütenpflanzen seien demnach der Schlüssel zur Vielfalt der Vögel gewesen und die Vögel wiederum verhalfen den Blütenpflanzen zu ihrem bis heute andauernden Siegeszug. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-40311-z

Quelle: Chinese Academy of Sciences Headquarters

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