Paläontologie

Schon Urzeit-Insekten betrieben Brutpflege

Bernstein konservierte 100 Millionen Jahre alte Schildlaus mitsamt ihren Eiern

Die im Bernstein eingeschlossenen Schildlaus trägt ihre Eier in einem Wachskokon am Bauch © Bo Wang

Insektenmama mit Nachwuchs: In einem Bernsteinklumpen aus Myanmar haben Paläontologen den ältesten Beleg für Brutpflege bei Insekten entdeckt. Das Baumharz konservierte eine 100 Millionen Jahre alte Schildlaus, die ihre rund 60 Eier mit einem Wachskokon an ihrem Bauch schützt.

Dem Harz urzeitlicher Bäume verdanken wir einzigartige Einblicke in die Lebenswelt der Vergangenheit. Denn der Bernstein konserviert selbst kleine und zarte Strukturen über Jahrmillionen hinweg. So hat man in ihm bereits eine auf einer Ameise sitzende Urzeit-Milbe entdeckt, eine fleischfressende Pflanze und eine Spinne, die im Moment des Angriffs vom Baumharz eingeschlossen wurde.

Einzigartiger Fund

Jetzt haben Bo Wang von der Universität Bonn und seine Kollegen einen neuen Fund im Bernstein gemacht. In einem 100 Millionen Jahre alten Harzklumpen aus Burma entdeckten sie eine urzeitliche Schildlaus – samt Nachwuchs. In dem bräunlich schimmernden Bernstein ist das nur wenige Millimeter kleine weibliche Insekt deutlich zu erkennen. „Einzigartig ist das Alter des Fundes: Ein 100 Millionen Jahre alter Beleg für Brutpflege bei Insekten wurde bislang noch nicht gefunden.“

Schildlaus-Weibchen verfügen im Gegensatz zu den Männchen weder über Flügel noch einen Chitinpanzer. Mit ihrem weichen Körper sind sie darauf spezialisiert, an Blättern zu saugen und für die Nachkommenschaft zu sorgen. „Fossilien von den empfindlichen weiblichen Schildläusen sind daher extrem selten“, sagt Wang. Wahrscheinlich wurde das Weibchen eingeschlossen, während es auf einem Blatt saß. Das Harz tropfte darauf und konversierte die weibliche Schildlaus samt Kokon, Eiern und Nymphen.

Rekonstruktion von Wathondara kotejai. © Bo Wang

Brutpflege unterm Wachskokon

An dem Fossil ist zu erkennen, dass eine Wachsumhüllung sowohl die Schildlaus als auch ihre rund 60 Eier vor Räubern und Austrocknung schützt. Die Eier trägt das Tier in einem aus Wachsplatten gebildeten Kokon am Bauch. Einen solchen Kokon bilden auch heutige Schildläuse. Sie sondern dafür das Wachs aus einer speziellen Drüse am Hinterleib ab. Das Ergebnis ist eine runde Struktur mit Rillen, die das Insekt samt Nachwuchs komplett überdeckt. „Die Wachsumhüllung sieht dann von oben in etwa so aus wie ein Schallplatte“, erklärt Koautor Torsten Wappler von der Universität Bonn.

„Mit der Brutpflege steigern die Schildläuse die Überlebenschancen ihrer Nachkommen“, sagt Wappler. Erst wenn die jungen Schildläuse weit genug entwickelt sind, schlüpfen sie aus der schützenden Wachsschicht. Aus dem Vergleich von modernen Schildlausarten mit dem Bernsteinfund schließt der Paläontologe, dass die Lebensweise und das Reproduktionsverhalten dieser Insekten bereits vor rund 100 Millionen Jahren ganz ähnlich war wie die der heutigen Formen.

„Brutpflege hat sich bei vielen Tieren darunter auch den Insekten mehrfach unabhängig entwickelt“, sagen die Forscher. „Fossile Belege für dieses komplexe Verhalten sind aber außergewöhnlich selten.“ Sie tauften das neue Schildlausfossil den Namen Wathondara kotejai – nach der buddhistischen Erdgöttin Wathondara und dem polnischen Insektenkundler Jan Koteja. (eLIFE, 2015; doi: 10.7554/eLife.05447.001)

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 31.03.2015 – NPO)

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