Schuldbewusste Großzügigkeit: Freuden gegenüber verhalten wir uns großzügiger, wenn wir glauben, an einem gemeinsamen Unbill schuld zu sein. Überraschend jedoch: Der Geschädigte reagiert gegenüber eng befreundeten Schuldigen sogar härter als bei flüchtigen Bekannten. Obwohl dies paradox erscheint, trägt dies offenbar dazu bei, die Beziehung wieder zu kitten, wie Verhaltensexperimente nun nahelegen.
Menschliche Beziehungen beruhen grundlegend auf gegenseitiger Kooperation. Skrupellose Egoisten sind langfristig gesehen weniger erfolgreich als extrovertierte Teamplayer, da ihnen die Unterstützung anderer fehlt. Um sich das Wohlwollen anderer trotz eigener Fehler nicht zu verscherzen, bringen die meisten Menschen mehr oder weniger stark ihre Schuldgefühle zum Ausdruck – zum Beispiel durch körperliche Reaktionen wie Erröten oder durch sozialeres Verhalten, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben.
Schuld macht sozialer
Ein Team um Eglantine Julle-Danière von der University of Portsmouth hat nun untersucht, wie freundschaftliche Beziehungen den Umgang mit Schuld beeinflussen. Dazu ließen sie jeweils zwei miteinander befreundete Probanden zunächst eine kooperative Aufgabe lösen. In der Nachbesprechung eröffneten sie beiden getrennt, Proband 1 sei daran schuld, dass sie die Aufgabe schlecht gelöst haben und deshalb nur eine reduzierte Belohnung von 15 statt 20 britischen Pfund bekommen. Diese sollten die Probanden dann unter sich aufteilen.
Erwartungsgemäß fühlte Proband 1 sich nach diesem Feedback schuldig, wie die Forscher anhand eines Fragebogens sowie durch Beobachtungen seiner Gesichtsregungen feststellten. Die „schuldigen“ Probanden gaben ihrem Partner durchschnittlich neun Pfund von der Belohnung und behielten selbst nur sechs. Je schuldiger sie sich eigenen Angaben zufolge fühlten, desto mehr Geld gaben sie ab – und zwar unabhängig davon, wie eng sie die Freundschaft mit ihrem Kooperationspartner einstuften.
„Im Einklang mit früheren Studien zeigt das die positiven sozialen Auswirkungen im Zusammenhang mit Schuldgefühlen“, schreiben die Forscher. „Die Funktion könnte darin liegen, sowohl die eigene Reputation als auch die Beziehung wiederherzustellen. Eine solche Beziehung muss nicht immer auf Freundschaft basieren, sondern auf grundlegenden menschlichen Interaktionen. Durch sein Verhalten erkennt der Schuldige an, dass er einen Fehler gemacht hat, zeigt aber gleichzeitig, dass es nicht absichtlich war und keine weitere Vergeltung notwendig ist.“
Strafe für enge Freunde
Einen überraschenden Effekt beobachteten die Forscher bei den Probanden, die damit konfrontiert wurden, ihr Freund sei schuld an der schlechten Teamleistung: Je enger diese Probanden die Freundschaft einschätzten und je stärker sie den Eindruck hatten, dass ihr Partner sich schuldig fühlt, desto weniger Geld gestanden sie ihm zu. Um ihnen die Schuldgefühle des Partners zu vermitteln, hatten die Forscher ihnen zuvor Videoaufnahmen seiner Reaktion auf das negative Feedback gezeigt.
„Das widerspricht früheren Studien, laut denen Menschen nachsichtiger sind, wenn ihr Gegenüber Schuldgefühle zum Ausdruck bringt“, so die Forscher. Ein möglicher Grund für diese Abweichung könnte sein, dass gerade Probanden, denen die Freundschaft sehr wichtig ist, diese durch eine einmalige „Strafe“ erhalten möchten, damit der Fehler nicht länger zwischen ihnen und dem Freund steht. „Unsere Ergebnisse stützen die These, dass Schuld in bestehenden Freundschaften eine besonders wichtige Funktion hat, was zu härteren Strafen führt“, folgern die Forscher.
Eingeschränkte Aussagekraft
Allerdings weisen sie darauf hin, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Rechneten sie nämlich die zehn Freundespaare mit der stärksten Bestrafung heraus, war der Effekt bei den über hundert verbleibenden Paaren nicht mehr signifikant. Somit könnten auch einzelne Abweichungen mit besonderen, nicht näher erhobenen Freundschaftskonstellationen zu dem Befund geführt haben.
Andererseits haben bereits frühere Studien gezeigt, dass eine kurzfristige Strafe für Fehlverhalten langfristig eine Freundschaft stabilisieren kann. „Für den Schuldigen kann es kostspielig sein, seine Schuld zu kommunizieren – aber die langfristigen Vorteile können diese Kosten ausgleichen“, so die Forscher. „Insgesamt deuten die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass die soziale Funktion von Emotionen sich je nach Art und Qualität der Beziehung unterscheidet.“ Um die Effekte genauer zu erforschen, seien weitere Studien erforderlich. (Royal Society Open Science, 2020, doi: 10.1098/rsos.200617)
Quelle: Royal Society